Die Gründer von Proauris im Gespräch

Die Idee, Neukunden im Internet zu gewinnen, ist auch in der Hörbranche nicht mehr neu. Doch der Bedarf nach einem weiteren Lead-Generator scheint da zu sein. Diese Erfahrung jedenfalls machen Sebastian Lanzer, Dr. Christian Classen und Christian Dielforter mit ihrem Start-up Proauris

Veröffentlicht am 08 Juni 2017

Die Gründer von Proauris im Gespräch

Binnen einem Jahr konnten sie rund 540 Fachgeschäfte als Partner gewinnen. Wie sie das angestellt haben, wie sie sich von einem anderen Lead-Generatoren unterscheiden und welche Erfahrungen sie bisher gemacht haben, das erzählen die drei Kaiserslauterer hier.

Herr Lanzer, Herr Classen, Herr Dielforter, Sie betreiben das Internetportal Proauris, über das Sie Interessenten an Hörakustik-Fachgeschäfte verweisen und auf dem Sie Informationen für Endverbraucher bereithalten. Wann und wie sind Sie gestartet?
Sebastian Lanzer: Die Idee für Proauris hatten wir im April 2015. Damals haben wir unser Geschäftsmodell entwickelt und überlegt, wie wir eine schnelle Marktdurchdringung erzielen können. Die Frage war, wie wir Hörakustikern dabei helfen können, im Internet neue Kunden zu generieren. Gegründet haben wir Proauris schließlich im Oktober 2015.
Christian Classen: Aktiv sind wir allerdings erst seit etwa einem Jahr. Bis unsere Website und unsere Prozesse standen, ist noch etwas Zeit vergangen.

Sie alle drei sind branchenfremd. Wie sind Sie auf die Hörbranche aufmerksam geworden und wo haben Sie den Raum für Ihre Idee gesehen?
Sebastian Lanzer: Aufgrund unserer Marktanalyse konnten wir davon ausgehen, dass das Modell der Lead-Generierung, also der Neukundengewinnung im Internet, funktioniert. Die Fragen waren dann, wie wir uns von bereits vorhandenen Anbietern abheben und zudem den Hörakustikern ein Partnermodell anbieten können, das für sie attraktiver ist. Hierüber haben wir viele Gespräche geführt, zum Beispiel mit einem Hör- akustiker aus unserem Bekanntenkreis sowie mit weiteren Hörakustikern. Für unseren Start haben wir uns dann einen Pilotkunden gesucht, mit dem wir testen konnten, ob unsere Idee in der Praxis so funktioniert, wie wir sie uns vorgestellt hatten.

Und wie sind Sie nun auf die Hörbranche aufmerksam geworden?
Christian Classen: An der Hochschule Kaiserslautern am Standort Zweibrücken haben wir vor sieben Jahren eine studentische Unternehmensberatung gegründet. Aus der wurde zwei Jahre später schließlich eine richtige Unternehmensberatung. Über diese berieten wir kleinere und mittelständische Unternehmen sowie einen Milliardenkonzern. Einige dieser Projekte hatten das Ziel, Neukunden online zu generieren. Das Thema fanden wir spannend und fragten uns, wie und wo wir das auch mal in eigener Sache ausprobieren könnten. Parallel stießen wir auf die Hörbranche, die wir ebenfalls spannend fanden. Da lag es nahe, unsere Idee hier auszuprobieren.

Sie haben eben andere Anbieter erwähnt. Als z.B. Audibene seinerzeit auf den Plan kam, begegneten einige dem Unternehmen, gelinde gesagt, mit einer gewissen Skepsis. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?
Sebastian Lanzer: Hürden mussten wir bisher nicht wirklich überwinden. Unser Geschäftsmodell wurde soweit immer gut angenommen. Das heißt, dass es sich jeder, dem wir es bisher vorgestellt haben, erst mal angehört hat und der Idee gegenüber aufgeschlossen war. Daher glauben wir, dass die Hörakustiker die Relevanz unserer Dienstleistung erkennen. Einige versuchen es ja sogar erst mal selbst bzw. wenden sich in dieser Sache an Agenturen, über die sie online Werbung schalten. Nur wissen viele auf diesem Weg nicht, was es sie tatsächlich kostet, über das Internet einen Neukunden zu gewinnen. Wie erfolgreich dieses Marketing ist, lässt sich eben schwer messen. Bei unserem Modell hingegen weiß man ganz genau, was es kostet.

Warum?
Sebastian Lanzer: Bei uns gibt es nur einen Preis. Die Provision, die das Fachgeschäft an uns entrichten muss, richtet sich also nicht nach der Versorgung. Und die muss unser Kunde auch erst zahlen, wenn der Hörgeräte-Interessent bei ihm im Fachgeschäft erscheint. Die Zusammenarbeit mit uns ist für Hörakustiker also vollkommen risikofrei.
Christian Classen: Und das ist das Überzeugende. Wir nehmen dem Fachgeschäft das Risiko, das Online-Marketing-Budget eventuell vergeblich einzusetzen. Wir treten mit unserer Arbeit erst mal in Vorleistung und erhalten die Provision erst, wenn der Kunde im Fachgeschäft erscheint.

Wie beschreiben Sie denn konkret Ihre Geschäftsidee?
Christian Classen: Wir verkaufen keine Hörsysteme, sondern sorgen für die erste Ansprache an den Kunden, indem wir ihn online abholen, am Telefon neutral und qualifiziert beraten und ihn dann an das Fachgeschäft eines Partners verweisen. Ab diesem Punkt übernimmt der Hörakustiker, dem wir natürlich nicht in sein Handwerk reinreden. Das ist nicht unser Job und das könnten wir auch gar nicht. Wie der Hörakustiker also mit dem Kunden verfährt, bleibt ihm überlassen. Die Provision, die wir für die Vermittlung erheben, ist auch unabhängig von dem Umsatz, den After-Sales und der Reparaturpauschale. All das bleibt beim Akustiker.

Startseite von Proauris.com: „Die unabhängige Beratung ist unser USP.”

Sie verlangen also lediglich einmal eine Provision für die Vermittlung und sind anschließend aus dem Prozess raus?

Sebastian Lanzer: So ist es. Damit konnten wir binnen eines Jahres mit rund 540 Fachgeschäften Partnerschaften abschließen. Und das, obwohl von uns nur ich in der Akquise tätig bin. So versuche ich, jede Woche mindestens einen neuen Partner zu akquirieren – einzelne Fachgeschäfte genau so wie kleinere Ketten. Noch ein Wort zu dem, was wir den Hörgeräte-Interessenten bieten: Die bekommen von uns eine kostenlose, neutrale Beratung. Die können wir anbieten, weil wir für die telefonische Beratung selbst Akustiker einstellen bzw. schon eingestellt haben. Es gibt also auch ein individuelles Erstberatungsgespräch, dessen wesentliche Informationen wir anschließend dem entsprechenden Akustiker zur Verfügung stellen, so dass der sich vorab schon auf den Kunden einstellen kann, was wiederum eine Zeitersparnis bringt und den Einstieg ins Gespräch erleichtert.

In der Kundenberatung sind für Sie Hörakustiker tätig?
Sebastian Lanzer: Aktuell arbeiten wir mit einer Hörakustikerin und zwei angelernten Kräften. Zum 1. August wird eine weitere Hörakustikerin dazukommen.

Sie bauen also einen eigenen Callcenter auf?
Christian Classen: Das Wort Callcenter hört sich für uns immer etwas negativ an. Natürlich haben auch wir einen gewissen Leitfaden für die Gespräche entwickelt, allerdings ist dennoch jedes Telefongespräch individuell, alleine schon, weil jedes Kundenbedürfnis individuell ist. Dazu kommt, dass der Kenntnisstand eines jeden Kunden ein anderer ist. Es geht also nicht um standardisierte Telefonate mit den immergleichen Fragen. Daher legen wir auch viel Wert darauf, dass es unsererseits ausreichend Zeit für die Gespräche gibt. Wir haben also keine Vorgaben, wie schnell so ein Gespräch abzuwickeln ist.
Wie machen Sie potenzielle Kunden auf Sie aufmerksam, damit die bei Ihnen anrufen?
Christian Dielforter: Wir betreiben Multi-Channel-Marketing, womit wir verschiedene Bereiche abdecken. Und natürlich legen wir Wert darauf, dass wir durch unsere Suchmaschinenoptimierung gefunden werden, wenn jemand bei Google relevante Keywords eingibt. Das ist eine langfristige Strategie. Darüber hinaus arbeiten wir mit verschiedenen Werbekampagnen. Das heißt, wir platzieren Anzeigen auf hochfrequentierten, für die Zielgruppe relevanten Portalen. Dort zeigen wir etwa die neuesten Hörsysteme. Wer sich damit auseinandersetzen möchte, der kommt so auf unsere Webseite www.proauris.com, wo man die Informationen findet, die man sucht. Dort haben die Leute dann auch die Möglichkeit, uns direkt anzurufen oder ihre Kontaktdaten zu hinterlegen und einen Rückruftermin mit uns auszumachen.

Wenn man mal bei Ihnen auf der Website war, fällt auf, dass man anschließend keine passenden Google-Ads eingespielt bekommt, wie man das von anderen Portalen kennt. Warum ist das so?
Christian Classen: Natürlich hat es etwas Gutes, wenn man viel gesehen wird. Andererseits wissen wir, dass viele sich davon irgendwann belästigt fühlen. Daher ist unsere Strategie, mehr auf der informativen Schiene zu fahren. Wir möchten den Leuten, die sich für das Thema interessieren, einen wirklichen Mehrwert bieten. Menschen mit einem Hörproblem sollen bei uns spüren, dass wir sie ernst nehmen und nicht so lange mit Werbung bearbeiten, bis sie irgendwann anrufen.

Sie haben schon mehrfach die unabhängige, neutrale Beratung hervorgehoben, die man als Anrufer bei Ihnen erhält. Wie können wir uns die vorstellen?
Christian Dielforter: Wie gesagt arbeiten wir aktuell mit einer Hörakustikerin und zwei angelernten Kräften, die wiederum auf dem Feld des Telefonmarketings erfahren sind. Diese Kombination braucht es für uns: Das Know-how des Hörakustikers sowie das Wissen, wie man eine Beratung am Telefon am besten aufbaut.
Sebastian Lanzer: Dadurch, dass die Kunden, die bei uns anrufen, schon wissen, dass wir keine Hörsysteme verkaufen, geht die Beratung allerdings auch nicht so tief. Hier sind wir auch davon überzeugt, dass man das in einem persönlichen Gespräch tun sollte. Wir sprechen dem Kunden also keinerlei Empfehlung aus und sagen ihm auch nicht was das beste Hörsystem für ihn ist. Das ist alles die Arbeit des Hörakustikers im Fachgeschäft.

Aktuell haben Sie um die 540 Partner-Betriebe. Wie konnten Sie so schnell wachsen?
Sebastian Lanzer: Wie gesagt sind wir mit einem Pilotkunden gestartet. Das war eine inhabergeführte Kette mit 27 Filialen, von denen wir allerdings nicht alle beworben haben. Von da an ging es weiter. Wie groß ein Betrieb ist, spielt für uns da keine Rolle. Ich fahre gerne zu jedem Akustiker persönlich hin und stelle ihm unser Geschäftsmodell vor. Dazu kommt, dass wir völlig transparent arbeiten. Bei uns gibt es keine versteckten Kosten. Das macht es für Akustiker attraktiv, mit uns zu arbeiten. So konnten wir recht schnell eine gewisse Marktdurchdringung erlangen.

Wie sind Sie in puncto Investoren aufgestellt? Gibt es weitere Gesellschafter? 
Sebastian Lanzer: Wir sind die drei Gründer und haben selbst investiert. Dazu kommt ein Business Angel, der jedoch branchenfremd ist. Damit wir weitere Partner gut integrieren und mit Kunden beliefern können, haben wir nun eine zweite Finanzierungsrunde eröffnet, die derzeit läuft und in wenigen Wochen geschlossen wird. Die Ziele, die wir uns erst für das kommende Jahr gesteckt haben, können wir also schon in diesem Jahr erreichen.

Sorgen für die erste Ansprache des Kunden: Dr. Christian Classen, Sebastian Lanzer, Christian Dielforter

Sie sind demnach also vollkommen unabhängig?

Christian Classen: Ja. Darauf legen wir wert. Alles andere würde immer nur zu kurzfristigen Erfolgen führen. Der Einfluss eines Partners würde unser Gesamtmodell nur gefährden. Und die unabhängige Beratung ist eben auch etwas, was uns von anderen Anbietern unterscheidet. Das ist unser USP.
Räumen Sie Ihren Partner-Betrieben Gebietsschutz ein?
Christian Classen: Diese Frage bekommen wir vom ersten Tag an gestellt. Und wir haben uns gegen einen Gebietsschutz entschieden. Genau so verlangen wir auch keinen. Von uns aus können die Akustiker-Betriebe zusätzlich zu uns auch mit anderen Partnern zusammenarbeiten. Wir selbst bieten keinen Gebietsschutz, weil wir den Markt auch weiterhin schnell durchdringen möchten. Wir sagen allerdings, dass wir in den Gebieten, in denen wir schon gut aufgestellt sind, nicht mehr aktiv akquirieren. Die andere Frage hierbei ist die, ob jemand, der weiß, dass sein Nachbar dabei ist, sich dadurch davon abhalten lassen würde. Die Alternative wäre ja, dass der Nachbar dann eben alle Kunden von uns bekommt, die sich aus der entsprechenden Region an uns wenden. Im Grunde kann es aber jeder risikolos mit uns probieren. Und so lange kein Kunde kommt, kostet es ja auch nichts.

Einen Vertrag schließt man mit Ihnen aber dennoch, oder?
Christian Classen: Natürlich. Die Laufzeit beträgt ein Jahr. Und der Vertrag regelt auch nicht nur, wie viel Provision wir verlangen, sondern auch, wie vertrauliche Dinge gehandhabt werden. Datenschutz ist uns sehr wichtig. Dazu wird die Anbindung geregelt. Dieser Punkt ist ebenfalls sehr wichtig, denn die komplette Anbindung des Fachgeschäfts lässt sich problemlos in den Betriebsalltag integrieren und ist sehr unkompliziert. Man hat keinerlei Mehraufwand, wenn wir einen Kunden vermitteln. Lediglich wenn ein Kunde nicht zum Termin erscheint, hat man einen Aufwand von vielleicht drei Sekunden. Es ist also eine reibungslose Integration, die an keiner Stelle in das Handwerk eingreift, die keine Zeit oder Ressourcen von Mitarbeitern bindet und die auch keine technischen Neuerungen erfordert. Wichtig ist hier außerdem, dass wir auf zeitnahe, verfügbare Termine bei unseren Partnern angewiesen sind. Wir wollen nicht heute einen Kunden beraten und ihm erst einen Termin in zwei Wochen anbieten können.
Christian Classen: Nicht zu vergessen ist, dass wir den Kunden nach der Vermittlung nicht mehr kontaktieren. Nur wenn er nicht zum Termin erschienen ist, bearbeiten wir ihn nach.

Und wie kann man sich als Ihr Partner die weitere Kommunikation mit Ihnen vorstellen?
Christian Classen: Die ist vom jeweiligen Partner abhängig. Die Strukturen in den Fachgeschäften sind viel zu verschiedenen, als das wir das standardisieren wollten. Bisher bekommen wir die Kommunikation mit unseren Partnern so hin, wie es ihnen passt.

Sie sagten vorhin, dass Sie viele Inhalte für Menschen, die sich für das Thema Hörhilfe interessieren, bereithalten. Das heißt, für Sie zählt nicht allein die Akquise und das Abwickeln eines Geschäfts?
Sebastian Lanzer: Wir wollen die erste Anlaufstelle rund um die Themen Hörminderung und Hörgeräte sein, bei der sich Hörsystem-Interessenten kostenlos und qualifiziert informieren können. So wollen wir einen Mehrwert für die potentiellen Kunden schaffen. Darum legen wir auch Wert darauf, Akustiker für die Beratung einzustellen.

Meine Herren, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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