Donald Trump und die europäische Hörgeräte-Industrie

Er hat schon vieles angekündigt und vieles nicht gehalten. Insoweit darf man hoffen, dass es dem neuen US-Präsidenten Donald Trump nicht gelingen wird, die europäische Hörgeräte-Industrie zu beschädigen. 

Veröffentlicht am 05 Mai 2017

Donald Trump und die europäische Hörgeräte-Industrie

Er hat seinen Wählern versprochen, dass Hörsysteme in Zukunft durch die Trennung von Software und Hardware, verbunden mit Ausschreibungen und einer Lockerung der Qualitätsanforderungen, nur noch ein Fünftel des heutigen Preises kosten würden. Außerdem sollen amerikanische Hersteller bevorzugt werden, die europäischen müssten mit hohen Einfuhrzöllen rechnen.

2016 hatten die USA als Absatzmarkt für Hörsysteme einen Weltmarktanteil von 28%, was etwa 3,65 Millionen Stück entspricht. Wenn man Starkey als den einzig nennenswerten amerikanischen Hersteller, der in den USA mit etwa 27% Marktführer ist, heraus rechnet, dann importieren die USA immer noch 73% ihrer Hörgeräte, und fast nur aus Europa. Trump könnte versuchen, die Preise der europäischen Hersteller über Ausschreibungen der staatlichen Veterans Administration (VA) zu drücken, die immerhin 21% der Hörsysteme in den USA einkauft. Es geht ihm aber nicht um niedrigere Preise für europäische Hörgeräte, sondern um Wettbewerbsvorteile für amerikanische. Deswegen hat er einen anderen Weg angekündigt, nämlich die Importe aus Europa mit hohen Zöllen zu belasten und dadurch zu drosseln. Das wäre aber auch in den USA ordnungspolitisch umstritten und ökonomisch bedenklich, es verstieße zudem gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Wenn ein Staat den freien Wettbewerb mit dem Ausland zugunsten der einheimischen Industrie beschränkt, kann er für eine Weile Arbeitsplätze sichern. Auf die Dauer werden sie aber gefährdet, weil mangelnder Wettbewerb die Anreize für Innovation und Qualität abschafft und den Verbrauchern am Ende höhere Preise bei schlechterer Qualität abverlangt.

Trump sagt, Deutschland verhalte sich wegen seiner Handelsüberschüsse unfair gegenüber den USA und gefährde amerikanische Arbeitsplätze. Das Argument ist nicht stichhaltig, weil es die amerikanischen Verbraucher und industriellen Einkäufer sind, die die deutschen Produkte freiwillig kaufen, und zwar vorrangig ihrer Qualität wegen. Sie tun das nicht in erster Linie des schwachen Euro und damit des guten Preis-Leistungsverhältnisses der deutschen Produkte wegen. Vor der Einführung des Euro waren deutsche Waren wegen der harten D-Mark ziemlich teuer in den USA, was ihrer Beliebtheit aber keinen Abbruch tat. Sofern der schwache Euro das Einkaufsverhalten der amerikanischen Verbraucher und industriellen Einkäufer beeinflusst, so ist das ein Effekt, um den die deutschen Exporteure nicht gebeten haben und sogar als schädlich ansehen, weil ihre Produkte zu niedrig bewertet werden. Sie wollen gute Gewinne machen und nicht nur gute Umsätze. Im Übrigen ist Trumps Behauptung, Deutschland sei für den Kurs des Euro verantwortlich, nicht richtig. Die Geldpolitik liegt in Europa allein in der Verantwortung der Europäischen Zentralbank und es ist gerade Deutschland, das Mario Draghis Politik des billigen Geldes heftig kritisiert. Deutschland ist auf einen schwachen Euro nicht angewiesen, sitzt aber mit den südeuropäischen Euro-Ländern in einem Boot, aus dem es nicht aussteigen kann.

Außenansicht des Weißen Hauses (Mittelbau, Südansicht) Foto: Associated Press, Wikipedia 

Es sind nicht nur die USA, sondern auch einige Euro-Länder, die Deutschland unfaires Verhalten vorwerfen. Das ist genauso ungerechtfertigt wie Trumps Vorhaltungen in diesem Punkt. Michael Hüter, Leiter des Institut der deutschen Wirtschaft (IW), stellte in der „Wirtschaftswoche“ klar:

„Deutschland ist der Ausstatter der Welt mit Maschinen und Anlagen, mit chemischen Erzeugnissen, mit Medizintechnik und Automobilen aller Art. Die vielen mittelständischen Hidden Champions haben ihre Position als Weltmarktführer durch die Verbindung von industrieller Fertigkeit und kundenorientierter Dienstleistung erarbeitet. Der Erfolg der deutschen Exporteure erklärt sich vor allem aus dem spezifischen Geschäftsmodell, das sowohl durch Innovationskraft als auch durch Kosteneffizienz gekennzeichnet ist … Dort wo der Erfolg am Preis hängt, hat die deutsche Wirtschaft nicht die Basis für ihren Erfolg … Niemand wird gezwungen, deutsche Produkte zu erwerben. Unsere Unternehmen verkaufen ihre Dienstleistungen nicht mit der Waffe in der Hand!“ (1)

Man sollte den US-Präsidenten daran erinnern, dass es die Amerikaner mit ihrer Philosophie der Shareholder Values und der Liberalisierung der Finanzmärkte waren, die ihr Land deindustrialisiert haben, weil spekulative Finanzgeschäfte und die New Economy höhere Renditen versprachen. Gerne wurde auch in vorhandene Immobilien investiert, womit keine neuen Arbeitsplätze geschaffen wurden, sondern nur Wertsteigerungen. Es entstanden Tausende Private-Equity-Firmen, die fast ohne Eigenkapital mit geliehenem Geld Unternehmen kauften, dann filetierten, mit anderen Unternehmen verschmolzen und in neuer Verpackung weiterverkauften. Die Banken halfen gerne und verdienten sehr gut dabei. Lasst doch die Deutschen weiter Maschinen und Automobile bauen, das ist die Ökonomie von gestern. Sie bietet nur langweilige Renditen, bindet zu viel Kapital und das auch noch viel zu lange. So dachte die Wall Street bis zur großen Finanzkrise 2008, und heute schon wieder. Nun will Trump Kapitalgeber animieren, wieder in Kohle und Stahl zu investieren. Er kann damit offensichtlich Wähler gewinnen, die von den alten Zeiten träumen. Für die amerikanische Hörgeräte-Industrie, die einmal die größte der Welt war, sind sie jedenfalls vorbei.
Der Präsident sollte bedenken, dass jeder europäische Hörgeräte-Hersteller Niederlassungen in den USA unterhält und dort amerikanische Arbeitsplätze schafft, besonders im Segment Custom-Made-Produkte. Er sollte ebenso bedenken, dass amerikanische Unternehmen wichtige Vorprodukte für die europäische Hörgeräte-Industrie exportieren, allen voran Knowles Electronics. Seine Politik des „America first!“, die er mit den Parolen „Buy American!“ und „Hire American!“ konkretisiert, ist purer Protektionismus. Und der ist immer ein Zeichen von Schwäche. Als erfahrener Unternehmer müsste er eigentlich wissen, dass Strafzölle auf ausländische Produkte die eigene Wirtschaft nur kurzfristig stärken, aber mittelfristig schwächen.

(1) Michael Hüther, Ist Deutschland zu stark für Europa? In FOCUS 33/2015, S. 61

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