Personal – Mehr als nur „Humankapital“

Jeder Unternehmer und Inhaber von Hörakustik-Fachgeschäften weiß: Kaum ein betriebswirtschaftlicher Faktor ist so entscheidend für den Unternehmenserfolg wie die eigenen Mitarbeiter. Ob zur Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens oder beim Streben nach Neueröffnungen – wie kritisch die Personalgewinnung dabei sein kann, wissen viele nur zu gut.

Veröffentlicht am 19 Januar 2017

Personal – Mehr als nur „Humankapital“

In der volkswirtschaftlichen Theorie spricht man von Humankapital. Dieser Begriff wurde 2004 übrigens zum Unwort des Jahres gewählt. Die Meinung der Jury: Es degradiert nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen. Tatsächlich gibt es unterschiedliche Modelle, mit denen sich der Wert eines Mitarbeiters festlegen lässt. Volkswirtschaftlich betrachtet spricht man von an Personen gebundenes Wissen und deren Fähigkeiten. Daraus leitet sich ab, dass Humankapital durch erworbenes Wissen, also durch eine Ausbildung oder Fortbildungen, entsteht. Dazu kommt das Learning-by-Doing, also die Anwendung des erworbenen Wissens im Berufsalltag. Zusammen mit der Arbeitsleistung und der Erfahrung entsteht in der Theorie das Humankapital der Erwerbsbevölkerung einer Volkswirtschaft. Dieser Wert wird allerdings nicht als Vermögen ausgewiesen.

In der Betriebswirtschaft wird es etwas konkreter. Sie spricht von Humanvermögen, also den Human Resources. Gemeint ist damit die Gesamtheit der Leistungspotenziale, die Arbeitnehmer einem Unternehmen zur wirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stellen, insbesondere Arbeitszeit, Leistungsfähigkeit und Motivation. Immerhin werden Investitionen zur Beschaffung, zum Erhalt und zur Förderung buchhalterisch erfasst. Die Personalpolitik hat also im Wesentlichen die Aufgaben, Mitarbeiter zu binden und zu fördern, aber auch zu rekrutieren.

Von der Wichtigkeit der Mitarbeiter
Dieser kleine Exkurs in die Theorie soll zeigen, wie wichtig Mitarbeiter für die Existenz und vor allem für den Fortbestand des Unternehmens, in unserem Fall der Hörakustik-Fachgeschäfte, sind. Hört man sich am Markt um, sind die Rückmeldungen nahezu einhellig. Denn dem Entstehen eines Engpasses, beispielsweise durch Mitarbeiterwechsel oder Elternzeit, folgt oft die Suche nach geeigneten Nachfolgern, Vertretungen oder Ersatz.

Recruiting-Kanäle 2015 (Abbildung: Statista.de)

Genau diesem Thema hat sich das Internetportal meinhoergeraet.de erst kürzlich in einer Kundenumfrage gewidmet. Befragt wurden 25 Inhaber und Geschäftsführer. Interessant war, dass nahezu 80% angaben, „aktuell“ oder „immer wieder mal“ auf der Suche nach neuen Mitarbeitern zu sein. Pro Jahr sei aus den genannten Gründen ein Bedarf von ein bis zwei Mitarbeitern erkennbar, in erster Linie natürlich bei Unternehmen mit mehr als einem Fachgeschäft. Dem gegenüber steht allerdings die Herausforderung, dass das Potenzial an ausgebildeten HörakustikerInnen bekanntermaßen begrenzt ist. Eine Thematik, die nahezu jeden Handwerksbetrieb, gleich welcher Branche, vor Herausforderungen stellt. Überraschend war, dass nahezu alle Grade, also Gesellen, Meister und Azubis, eine gleichwertige Bedeutung zukam.

Inhalt vieler Gespräche waren allerdings die Herausforderungen bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden. Es sei zu beobachten, dass sich Jugendliche immer weniger für Handwerksberufe im Allgemeinen interessieren. Hinzu kommt, dass aufgrund der Geburtenraten immer weniger Jugendliche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Den Auszubildenden kommt auch deshalb eine hohe Bedeutung zugute, weil sie während der Ausbildung Teil der Unternehmensphilosophie werden. Mit diesen erworbenen Unternehmensabläufen sind sie nach dem Ausbildungsabschluss oftmals mehr Wert als unternehmensfremde Mitarbeiter.

Möglichkeiten der Rekrutierung
In der erwähnten Befragung sollte auch herausgefunden werden, welche Wege Unternehmer suchen, um neue Mitarbeiter für sich gewinnen zu können. Und hier zeichnete sich ein Bild ab, das sich von dem des Personalmarktes (siehe Grafik, Umfrage zu genutzten Recruiting-Kanälen im Jahr 2015, Quelle: statista.de) deutlich unterscheidet. Die Ursachen liegen allerdings häufig in der eingeschränkten Verfügbarkeit und Nutzung der unterschiedlichen Kanäle, die die Grafik zeigt. Mit einer Stellenanzeige, beispielsweise in der lokalen Zeitung, ist es in der Praxis nicht getan. Viele Unternehmen suchen nach Alternativen, um gezielter geeignete Kandidaten ansprechen zu können.

Unsere Branche baut nach wie vor auf Netzwerke

Aufgrund der zentralen Art der Ausbildung und Angeboten an Weiterbildungen profitiert unsere Branche von einem oftmals dichten, persönlichen Netzwerk. Getreu dem Motto „Ich kenn da jemanden …“ lassen sich oftmals potenzielle, neue Mitarbeiter identifizieren und ansprechen. In der Praxis werden häufig auch die eigenen Mitarbeiter gebeten, ihnen bekannte Berufskollegen anzusprechen – und das regional wie überregional.

Personalvermittler gewannen an Bedeutung
Während unserer Recherchen ist uns eine Vielzahl Personalvermittler aufgefallen, die auch Hörakustiker vermitteln. Bei diesem Konzept beauftragt ein Unternehmen eine auf die Stellenbesetzung spezialisierte Personalagentur, die geeignete Kandidaten anspricht, sei es extern oder aus dem eigenen Bewerberpool. Diese werden vorgewählt und dem Auftraggeber als Kandidaten vorgestellt. Nach einer Vorauswahl werden individuelle Gesprächstermine vereinbart. Nach erfolgter Vermittlung ist eine Provision für die Agentur fällig. Und diese können schon mal, häufig abhängig vom Gehalt, im vier- bis fünfstelligen Bereich liegen.

Eine Agentur, die sich auf die Hörakustik spezialisiert hat, ist Lipka Personalgewinnung. Die Agentur bringt über ihre Internetseite auf der Suche befindliche Mitarbeiter mit suchenden Unternehmen zusammen. Beide Seiten müssen sich darüber registrieren und können ihre Bedürfnisse qualifizieren. Das persönliche Netzwerk spielt bei der Vermittlung eine wesentliche Rolle, heißt es auf der Internetseite. Empfehlungen innerhalb des Netzwerkes werden gefördert. Ebenfalls aufgefallen im Bereich der Personalvermittlung ist uns das vergleichsweise neue Netzwerk PlacingYou. Das Kreuztaler Unternehmen setzt ebenfalls auf das persönliche Netzwerk und ist vor allem in den sozialen Medien, insbesondere auf Facebook, unterwegs, um auf offene Positionen seiner Auftraggeber aufmerksam zu machen.

www.meinhoergeraet.de/stellenmarkt

Online-Stellenbörsen

Schaut man sich die Grafik der genutzten Recruitingkanäle an, wird deutlich, dass das Internet eine besonders wichtige Rolle spielt. Hier hat man sofort die Platzhirschen stepstone.de und monster.de im Kopf, die allerdings in der Hörakustik allem Anschein nach kaum ein Rolle spielen. Dort lassen sich gerade mal fünf bis sieben aktuell offene Hörakustiker-Stellen ausmachen, die vor allem von größeren Unternehmen geschalten werden (Stand: 14. 12. 2016). Bei monster.de lassen sich ein paar mehr Stelleninserate ausmachen, doch klar ist, dass die Stellenbörsen kaum flächendeckend von Hörakustik-Unternehmern genutzt werden. Ein Grund sind sicher die vergleichsweise hohen Preise. Industrieunternehmen hingegen suchen dort vor allem nach Stabsstellen, also beispielsweise im Marketing, Buchhaltung oder Entwicklung. Fündiger wird man bei Stellenbörsen wie kimeta.de oder meinestadt.de, die beide mit günstigeren Preisen aufwarten können. Hier bewegt sich die Anzahl der Inserate im unterem bzw. mittlerem dreistelligen Bereich.

Auf dem allgemeinen Recruiting-Markt zeigt sich auch hier ein Trend hin zur Spezialisierung auf bestimmte Branchen. Oftmals sind diese Stellenbörsen Teil einer Themenseite, auf der Brancheninsider News und Hintergrundartikel lesen können. Der Stellenmarkt dient hier der sinnvollen Ergänzung des Angebotes für die Nutzer. Allen voran war die Digital-Industrie mit dem Portal t3n.de.Ebenfalls gute Beispiele für diese Entwicklung sind wuv.de, ein Netzwerk für Marketing- und Werbefachleute, und Ingenieur.de.

Online – speziell für die Hörakustik
Auch in der Hörakustik lässt sich diese Entwicklung nachvollziehen. Zum einen bieten einige Leistungs- und Einkaufsgemeinschaften auf deren Internetpräsenzen einen Stellenmarkt für deren Mitglieder an. Darüber hinaus gibt es zwei Portale, die sich dem Konzept eines übergreifenden Stellenmarktes widmen. Das Portal akustik-scout.de beispielsweise wird von ipn Software angeboten.
Das Portal meinhoergeraet.de stellte kürzlich einen neuen Stellenmarktfür seine registrierten Hörakustiker zur Verfügung. Dreh- und Angelpunkt zum Schalten einer Anzeige ist ein Profil des Fachgeschäftes, um sich so „nach außen“, also potenziellen Kunden und deren Angehörige, vorzustellen, wenn diese einen Hörakustiker in deren Nähe suchen. Denn die Seite ist bekannterweise in erster Linie ein Portal für Endkunden. Für die Profile gibt es zwei Alternativen: das kostenfreie Einstiegs-Profil und das kostenpflichtige Premium Plus-Profil. Inhaber des letzteren können so durch zusätzliche Online-Marketing-Aktivitäten von meinhoergeraet.de aktiv Kunden gewinnen und Bewertungen sammeln. Im internen Bereich der Seite hingegen, der registrierten Hörakustikern zur Verfügung steht, wird das Angebot neben dem Stellenmarkt mit ständig aktuellen Markt-News aus verschiedener Quellen, zu denen auch die AUDIO INFOS zählt, angereichert.

Fazit: die Qual der Wahl bleibt
Ob klassische Stellenanzeige, Online-Stellenanzeige oder Personalvermittlung – die Herausforderung bei der Besetzung neuer Stellen wird durch das Angebot in unserer Branche nicht kleiner. Es tun sich allerdings neue Medien auf, die dem Trend, vor allem im anonymen Internet nach Stellen zu suchen, gerecht werden. Umso wichtiger kann es also auch sein, das Augenmerk, wie eigens in der Theorie beschrieben, auf die Aus- und Fortbildung, aber auch die Mitarbeiterbindung zu richten. Diesen Themen werden wir uns in einer der kommenden Ausgaben widmen.

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