Christian Honsig im Gespräch

Statt mit einem Siemens-Stand war Sivantos in diesem Jahr mit einem Signia-Stand auf der Fachausstellung des EUHA-Kongresses präsent. Unter dem Motto „Welcome to the Future“ wurden drei Innovationen ins Zentrum gestellt. Welche das sind und welche Neuerungen diese bringen, darüber sprachen wir mit dem Geschäftsführer der Sivantos GmbH Christian Honsig. 

Veröffentlicht am 15 November 2016

Christian Honsig im Gespräch

Herr Honsig, wir haben Freitagnachmittag. Können Sie schon eine Bilanz ziehen unter den Messeauftritt von Signia?
Ich bin müde und zufrieden. Die Messe verlief wie in den letzten zwei Jahren. Der Mittwoch war inhaltlich sehr interessant, mit qualitativ sehr hochwertigen Gesprächen. Wer am ersten Tag kommt, plant diesen sehr bewusst. Am Donnerstag ging es dann zu wie im Taubenschlag – hohe Frequenz, unzählige Gespräche und ein breiter Austausch. Heute wurde konkretisiert, was in den Tagen zuvor angesprochen wurde. Wir haben jetzt 15:15 Uhr und es war eine sehr gute Messe.

Das Motto am Signia-Stand lautet „Welcome to the Future“. Was wollen Sie uns damit sagen?
Unser Messeauftritt steht erstmals ganz im Zeichen von Signia. Da sieht man, wie viel Dynamik bei uns ist. Vor 12 Monaten hatten wir noch einen Siemens-Stand. Die Akzeptanz von Signia ist toll. Und mit dem Slogan „Welcome to the Future“ haben wir drei zukunftsträchtige Innovationen ins Zentrum gestellt. Im RIC-Bereich ist es „Cellion“ mit Lithium-Ionen-Technologie, im IdO-Bereich „Silk“, das ohne individuelle Abformung und damit ohne Wartezeit sofort ein unmittelbares Hörerlebnis verspricht. Und als drittes großes Thema haben wir „TeleCare“, eine offene Onlineplattform, um die Bindung zwischen Akustiker und Endkunden zu stärken.

Sprechen wir zunächst über die Lithium-Ionen-Technologie, die Sie mit dem „Cellion“-Hörsystem anbieten. Im Gegensatz zu dem Produkt eines Mitbewerbers kann man „Cellion“ induktiv laden. Wie beschreiben Sie die Vorteile der induktiven Auflade-Möglichkeit?
Wir verfügen über eine lange Erfahrung mit Akku-Technologie und aufladbaren Geräten. Kontaktladen bieten wir seit vielen Gerätegenerationen. Mit dem induktiven Laden gewinnen wir nun weitere Vorteile. Ohne Ladekontakt hat man ein geschlossenes Gehäuse. Das macht es noch robuster und erleichtert das Handling. „Cellion“ ist sehr komfortabel, weil sich die Geräte beim Einsetzen in die Ladeschale automatisch ausschalten, trocknen, und beim Herausnehmen automatisch wieder einschalten. Und für den Akustiker bieten sie die maximale Audiologie von e2e 3.0 bis CROS, wie man sie von den „Primax“-Produkten kennt.

Wie lange muss ich es aufladen für wie viel Laufzeit?
Es gibt zwei Phasen des Aufladens: Einmal das schnelle Aufladen, das nur 30 Minuten dauert. Damit haben Sie gut sieben Stunden Laufzeit. Die komplette Ladung dauert vier Stunden, womit 24 Stunden Laufzeit gewährleistet ist, gemessen mit permanentem Streaming und HP-Hörer, also unter Volllast. Die Ladetechnologie selbst ist sehr komplex und mit hohem Entwicklungsaufwand verbunden. Das erforderte viele Tests, denn wir wollen maximale Leistung und maximale Sicherheit.

Wie lange hält so ein Akku? Sechs Jahre?
Davon gehen wir aus. Er verliert allenfalls, wie man es von einer elektrischen Zahnbürste kennt, über die Zeit etwas an Kapazität.

Für den Fall, dass der Akku getauscht werden muss: Kann das im Fachgeschäft gemacht werden, oder schickt man das Hörsystem dafür ein?
Aus logistischen und servicetechnischen Gründen wird der Tausch bei uns vorgenommen.

Ist der Akku eine Eigenentwicklung?
Natürlich kaufen wir die Akkus zu, so wie die Batterien auch. Was bei Lithium-Ionen-Technik spannend ist: Sie gibt einem neue Freiheiten, zum Beispiel bei der Formgebung. Man ist nicht mehr an die klassische runde Form einer Knopfzelle gebunden.

Haben sich die Formen der Hörsysteme auch verändert, weil es die Batterie-Klappe nicht mehr gibt?
Die neue Technologie lässt einem etwas mehr Spielraum. Doch müssen immer die Leistungsfähigkeit und der Komfort im Vordergrund stehen. Bei der Entwicklung von „Cellion“ haben wir uns weiter an der klassischen Form orientiert, weil sie dem Tragekomfort Rechnung tragen muss, aber auch der Technologie im Inneren, wie z.B. der Anordnung der Richtmikrofone etc.

Inwiefern hat sich durch den Einsatz der Lithium-Ionen-Zellen auch die Spannung in den Hörsystemen verändert?
Innerhalb des Powermoduls befindet sich eine Lithium-Ionen-Zelle mit 3.8 Volt, aber unsere Technik bringt die höhere Spannung auf die Standard-Hörgeräte-Spannung von 1.2 Volt.

Könnte die höhere Spannung künftig Türen für noch mehr Möglichkeiten öffnen?
Wir haben eine äußerst rasante Entwicklung von Features und Funktionalitäten in Hörgeräten. Wir schaffen das seit Jahren mit den immer gleich großen und leistungsstarken Batterien. Das kommt irgendwann zu einem natürlichen Ende. Und wir bereiten uns selbstredend mit intelligentem Energiemanagement darauf vor, so dass Leistungs- und Komfortmerkmale auch zukünftig nicht limitiert werden. Wir sind der Branchenprimus, was die Energieeffizienz angeht, dank einer sehr konsequenten Architektur auf der Chip-Ebene. Das bietet uns natürlich viele Möglichkeiten wie zum Beispiel die CROS-Lösung mit Lithium-Ionen-Technologie, Dauerstreaming von Audiodaten, kurze Einschwingzeiten usw. Das sind Features mit hohem Kundennutzen, auf die wir nicht verzichten wollen. Die oberste Prämisse ist aber klar die Audiologie, dann kommt der Komfort. Die Stromquelle darf nicht zum limitierenden Faktor werden, wir haben nämlich noch viele Ideen.

Und „Cellion“ basiert auf dem im vergangenen Jahr eingeführten „Primax“-Chip?
Genau. Das einzige, was wir anpassen mussten, war die Energiequelle. Und auf der Grundlage werden wir natürlich weitere Entwicklungen vorantreiben.

In welchen Bauformen ist „Cellion“ erhältlich?
Aktuell als ´13 RIC-System in zwei Preispunkten. Wir sind gespannt auf die Reaktionen. Wie schnell diese Pionier-Technologie von oben nach unten durch diffundiert, wird auch davon abhängen, welche Rückmeldungen wir bekommen. Dementsprechend werden wir es dann ausrollen.

Kommen wir zu „Silk“, dem neuen IdO-Gerät von Signia. Sie sprechen davon, dass man keine Abformungen mehr brauche und das System schnell im Ohr des Kunden sei. Wie können wir uns das vorstellen?
Der goldene Weg unsere Branche ist ja die Anpassung von HdO-Geräten. Die können Sie dem Kunden direkt anpassen, mitgeben und ihm ein sofortiges Hörerlebnis ermöglichen. Das finde ich auch gut so. Ein Kunde hat ja eine gewisse Erwartungshaltung aber auch eine Unsicherheit, und da ist es natürlich gut, wenn man beidem mit einem positiven Erlebnis begegnen kann. Der klassische IdO-Prozess dient zwar einem der vorrangigen Wünsche der Träger nach Diskretion, ist aber aufwendiger und bietet nicht die Möglichkeit des „sofort“- Ersterlebnisses. Genau aus diesem Grund haben wir „Silk“ entwickelt. Der Name ist von den ersten Testkunden inspiriert. Die Hülle, die den sicheren Halt sowie den angenehmen Sitz des kleinen CIC ausmacht, haben die Probanden als seidig beschrieben. So kam es zu dem Namen. Mit „Silk“ können wir auf komfortable Weise die Erwartung unmittelbaren Hörerlebens auch mit einem IdO erfüllen.

Ebenfalls neu bei Signia ist „TeleCare“. Was genau ist das?
Das Ziel der Akustiker wie auch unseres ist es, möglichst viele Kunden mit hoher Zufriedenheit zu versorgen. Wenn wir uns den Anpassprozess anschauen, ist aus meiner Sicht die kritischste Phase die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Termin – und dies vor allem bei Erstversorgungen. Im Geschäft selber hat der Kunde professionelle Unterstützung und Beratung vom Akustiker. Aber danach wird er in eine für ihn neue Welt entlassen. Er erlebt Geräusche anders, er muss das Handling üben, am nächsten Morgen die Hörgeräte das erste Mal alleine einsetzen, er muss eine Batterie tauschen, die Verbindung zu Fernseher und Smartphone einrichten und so weiter. Das sind viele Dinge, mit denen die einen gut zurechtkommen, andere wiederum benötigen Hilfe. Das Schlimmste ist, wenn in dieser Zeit negative Eindrücke entstehen oder Fragen auftauchen, die zunächst unbeantwortet bleiben. Das kann zum Abbruch der Anpassung führen. Um diesen blinden Fleck für den Akustiker sichtbar zu machen, haben wir das Tool „TeleCare“ entwickelt. „TeleCare“ ist eine cloudbasierte Lösung, die eine schnellere Kommunikation zwischen Akustiker und Endkunde ermöglicht, mittels der „myHearing“-App, die auf Basis der Technologie entwickelt wurde, die wir auch für unsere „TouchControl“ nutzen.

Wie funktioniert das in der Praxis?
Der Anspruch bei „TeleCare“ ist, den Kunden dazu zu bringen, sich mit der Technik und dem Tragen eines Hörgeräts zu beschäftigen und seine Erfahrungen zurückzumelden. Die Übungen, die er damit machen kann, dienen dazu, sich bewusst mit dem Gerät auseinanderzusetzen. Eine Übung beispielsweise heißt „Zeitungsrascheln“. Da wird eine entsprechende Hörumgebung trainiert. Anschließend kann der Kunde eine Rückmeldung geben, wie er damit zurecht gekommen ist. Bin ich happy, gebe ich einfach eine Rückmeldung über einen Smiley ein. Bin ich nicht happy, geht ein Kontext-Menü auf, in dem ich dann nach unterschiedlichen, untergliederten Dingen gefragt werde. Am Ende soll der Akustiker ein sehr klares Bild darüber haben, womit der Kunde schon zufrieden ist, aber auch, wo es noch hapert. So weiß er für den Folgetermin schon ziemlich genau, wo er ansetzen muss. Oft ist ja alleine das Formulieren des Problems eine Schwierigkeit für den Kunden. Was ich betonen möchte: Es handelt sich dabei nicht um ein klassisches Hörtraining. Unser Ziel ist ein bewusstes Beschäftigen mit dem Hörsystem. Was außerdem wichtig ist: Diese Plattform ist für alle Hersteller offen. Ich kann Teil Eins, die Kommunikation, und Teil Zwei, die Rückmeldung, mit jedem Hörgerät machen und auch die Anleitungsvideos abrufen. Was aber nur mit unseren Hörgeräten funktioniert, ist die dritte Stufe. Da kann der Akustiker aus der Ferne über die „myHearing“-App dem Endkunden Hilfestellung geben, ohne dass der Kunde in den Laden muss. Diese Möglichkeit funktioniert bereits mit unserem gesamten Geräteportfolio ab „Sirion 2“ aufwärts.

Der Akustiker hat also „TeleCare“ bei sich auf dem Rechner und bekommt Rückmeldungen über die App?
Ein Beispiel: Der Kunde schreibt, dass er in Gesprächssituationen keinen Sprecher klar identifizieren kann und alle Stimmen gleichlaut hört. Der Akustiker wird sehr schnell erkennen, dass der Kunde mit seinem Gerät im Omni-Modus ist. Eigentlich müsste er nur den Fokus enger stellen, um den Sprecher zu verstärken. Und das kann der Kunde auch selber aus der „myHearing“-App heraus. Sollte er aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sein, das zu tun, kann der Akustiker diese Änderung über eine Kurznachricht schicken. Diese muss vom Kunden akzeptiert werden – es passiert also nichts ohne sein Wissen – und die Veränderung wird vorgenommen.

Bekommen Sie als Hersteller etwas von dieser Kommunikation mit?
Nein. Das ist eine 1zu1-Verbindung. Der Akustiker hat seine Webapplikation auf dem PC. Dort legt er seinen Endkunden ganz einfach durch Angabe der Mobiltelefonnummer an. Die App ist als Medizinprodukt zugelassen und natürlich kommen wir allen Datenschutzbestimmungen nach, die es gibt, und haben keinerlei Einsicht in den Kommunikationsverlauf. Wie gesagt, das findet direkt zwischen Akustiker und Endkunden statt.

Was präsentiert Signia auf der Messe außerdem Neues?
Im BTE-Bereich haben wir ein neues Powergerät, was sich weit in die Preispunkte herunterzieht. Zudem haben wir eine neue Mini-Fernbedienung und einen Fernsehtransmitter neu im Portfolio.

Ihr erklärtes Ziel ist, wie Sie uns gegenüber in einem Interview gesagt haben, die Marktführerschaft. Wie weit sind Sie auf Ihrem Weg an die Spitze?
Wir kommen gut voran und liegen über unseren Plänen

Herr Honsig, wir danken Ihnen für das Gespräch. 

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