Die HörPartner ermöglichen auch jenen einen Ausbildungsplatz, die formal vielleicht nicht die besten Voraussetzungen mitbringen

Gut ausgebildeten Nachwuchs aus den eigenen Reihen? Bei der HörPartner GmbH aus Berlin ist das seit jeher eine Selbstverständlichkeit. Das Unternehmen mit ostdeutschen Wurzeln ist heute der größte regionale Hörakustik-Anbieter in Berlin und Brandenburg. 

Veröffentlicht am 27 November 2020

Die HörPartner ermöglichen auch jenen einen Ausbildungsplatz, die formal vielleicht nicht die besten Voraussetzungen mitbringen

Und es zählt zu den besten Ausbildungsbetrieben der Hauptstadt. Und das nicht nur, weil die HörPartner großen Wert auf ein hohes Ausbildungsniveau legen, ihren Auszubildenden sehr gute Bedingungen bieten oder sich vielfältig dafür engagieren, Jugendlichen den Hörakustiker-Beruf vorzustellen. Viel Anerkennung findet zudem, dass die HörPartner auch solchen Bewerbern einen Berufsstart ermöglichen, die rein formal nicht die besten Voraussetzungen mitbringen – und die dennoch überzeugen.

Der Imperativ ist die Befehlsform“, erklärt der Lehrer seinen drei Schülern. „Wir haben im Deutschen drei Formen des Imperativ: Singular, Plural und die Höflichkeitsform mit Sie. Komm! – Kommt! – Bitte kommen Sie! Bei der Höflichkeitsform am besten immer ein ‚bitte‘ verwenden.“ „Das ist das Zauberwort“, wirft einer der Schüler ein. „Genau“, entgegnet der Lehrer. Dann wird reihum geübt: „Nimm! – Nehmt! – Bitte nehmen Sie!“ – „Höre! – Hört! – Bitte hören Sie!“ usw.

Wir sind zu Besuch in der Firmenzentrale der HörPartner GmbH in Berlin Karlshorst. Es ist Donnerstagvormittag. Und wie jeden Donnerstag findet gerade der Deutschkurs statt – für Lee, Yaser und Malek. Alle drei erlernen bei den HörPartnern den Beruf des Hörakustikers. Lee und Yaser sind im zweiten, Malek im ersten Lehrjahr. Und alle drei sind Auszubildende mit Migrationshintergrund.

Azubi Yaser Almohammad: „In Syrien hatte ich die Schule besucht. Ich habe auf die Chance gehofft, hierher zu flüchten“

Yaser Almohammad (23) ist Kriegsflüchtling aus Syrien und schon fünf Jahre in Deutschland: „In Syrien hatte ich die Schule besucht. Dann bin ich zuerst in den Libanon. Aber dort gab es keine Schule. Es gab nur einen Englischkurs, der nicht gut war. Es wurde die ganze Zeit nur Arabisch gesprochen. Ich habe dann begonnen zu arbeiten und Geld zu sparen, damit ich vielleicht die Chance bekomme, hierher zu flüchten. Mein Ziel war zu studieren oder eine Ausbildung zu machen.“

Zu den HörPartnern kam Yaser eher durch einen glücklichen Zufall: „Ich habe in Berlin-Kaulsdorf gewohnt und hatte eine Nachbarin, die Hörakustikermeisterin bei den HörPartnern ist. Sie hat mir vom Beruf erzählt. Sie meinte, ich soll einfach mal ein Praktikum machen. Und wenn es mir gefällt, würde sie mit der Zentrale reden, damit ich ein Vorstellungsgespräch bekomme. Ich habe gesagt: Okay, das mache ich. Es war sehr gut und hat mir gefallen. Der Job macht mir Spaß.“

Der Weg zum Ausbildungsplatz war bei den anderen beiden Kursteilnehmern ganz ähnlich: Yongjoong Lee (24), der aus Südkorea stammt, kam vor sechs Jahren nach Berlin. Der Traum vom Studium ließ sich weder in seiner Heimat noch in Deutschland realisieren, und die Suche nach einem passenden Ausbildungsberuf sowie ein Praktikum brachten ihn zu den HörPartnern. Und Malek Bahbuh (33) hatte in Damaskus Innenarchitektur studiert, bis er vor dem Krieg fliehen musste. Über ein Projekt der Handwerkskammer für Flüchtlinge über 25 absolvierte er mehrere Praktika, auch eines bei den HörPartnern. Hier hatte es ihm gleich gut gefallen.

Ausbildungsbetrieb und ost-deutsche Erfolgsgeschichte: „Es geht um ein Wir-Gefühl“
Die HörPartner GmbH ist größter regionaler Anbieter für gutes Hören in Berlin/Brandenburg. Das Unternehmen, dessen Ursprünge in den frühen 90er Jahren liegen, gilt als ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen die HörPartner in ihren über 50 Fachgeschäften, von denen sich einige sogar in Hessen und in NRW befinden. Gutes Handwerk, moderner Service und eine sehr soziale Unternehmenskultur gehören seit jeher zum Erfolgsrezept. Ebenso setzen die HörPartner schon immer auf eigenen, gut ausgebildeten Nachwuchs. Jährlich werden bis zu zehn neue Ausbildungsstellen angeboten. Die Ausbildungsquote lag 2019 mit 16 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt von 8,4 Prozent.

Jeder Azubi hat im jeweiligen Fachgeschäft einen persönlichen Ansprechpartner. Es gibt ein Ausbildungsteam, das sich um die Lehrlinge kümmert. Sogar ein eigenes, innerbetriebliches Ausbildungszentrum hat sich das Unternehmen geschaffen, in dem die angehenden Hörakustikerinnen und Hörakustiker in Jahrgangsgruppen üben – von Ohrabdrucknahme und Fräsen bis zur Fertigung von Im-Ohr-Hörgeräten, der Hörgeräte-Anpassung oder der Kopplung mit Smartphone und Tablet.

Auch sonst haben die Azubis beste Bedingungen: Die Ausbildungsvergütung ist überdurchschnittlich. Für die Fahrten zu den Kursen in der Akademie werden die Kosten übernommen. Auch für junge Mütter und Väter wird nach Lösungen gesucht, die die Vereinbarkeit von Kind und Berufseinstieg ermöglichen. Nach erfolgreicher Prüfung werden alle Jugendlichen vom Betrieb übernommen. Zudem erhalten sie auf Wunsch weitere Förderung – etwa für den Erwerb des Meistertitels.

„Ausbildung ist für uns schon immer absolut wichtig“, so Lars Stage, Geschäftsführer der HörPartner GmbH: „Wir wollen mehr tun, als einfach nur Lehrlinge einzustellen, sie in eine Filiale zu stecken und zu hoffen, dass sie drei Jahre später die Prüfung schaffen. Wir bilden aus – das heißt fachlich und im Sinne unserer Unternehmenskultur. Unsere Azubis werden zum HörParnter. Es geht um ein Wir-Gefühl. Und uns liegt sehr daran, dass die Auszubildenden unsere hohen Qualitätsstandards von Beginn an verinnerlichen. Zugleich wollen wir ihnen vermitteln, eigenverantwortlich zu handeln und ein zuverlässiger Partner für unsere Kunden zu sein.“

Lars Stage: „Was nutzt mir ein Bewerber mit 1-er Abitur, der sich nicht auf die Kunden einstellen kann?!“

Offensichtlich eine Haltung mit Vorbildwirkung. Die HörPartner zählen zu den besten Ausbildungsbetrieben der Hauptstadt. Im vergangenen Jahr wurden sie sogar mit dem Zertifikat „Ausgezeichnete Nachwuchsförderung“ der Bundesagentur für Arbeit geehrt. Und das nicht nur für das hohe Ausbildungsniveau. Besondere Anerkennung findet auch die Bereitschaft, benachteiligte Jugendliche zu fördern und in das Arbeitsleben zu integrieren.

„Wir sind davon überzeugt, dass jeder junge Mensch die Förderung erfahren sollte, die es ihm ermöglicht, sein Potenzial auszuschöpfen, seinen Weg zu meistern und seinen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten“, so Lars Stage. „Als regionales Unternehmen unterstützen wir dies nach Kräften. Wir sehen uns auch hier in einer sozialen Verantwortung.“
Noch ein Punkt ist dem Geschäftsführer in diesem Zusammenhang wichtig: „Unsere Erfahrung ist auch, dass Schulzeugnisse nur bedingt aussagekräftig sind. Was nutzt mir ein Bewerber mit 1-er Abitur, wenn er nicht in der Lage ist, sich auf die 75-jährige Kundin einzustellen, die vor ihm sitzt?! Bei uns durchlaufen die Azubis heute eine längere Bewerbungsphase. Wir wollen einen Eindruck bekommen, mit wem wir es zu tun haben. Daraus ergeben sich auch Chancen für Bewerber, die woanders kaum eine Chance bekommen hätten. Ausgehend von der Papierform hätten auch wir sie nicht genommen.“

Malek Bahbuh: „Probleme habe ich mit Theorie, weil meine Sprache noch nicht gut genug ist“

Der offene und zugleich pragmatische Umgang mit Bewerbungen ermöglicht auch Malek, Lee und Yaser, ihre Chance zu ergreifen: Lee etwa hat seinen Arbeitsplatz in der HörPartner-Filiale in Berlin-Weißensee. Messung, Beratung, Abformung und Anpassung, all das gehört schon zu seinen Aufgaben. Bis zur Prüfung soll er die Anpassung komplett allein schaffen. Und er ist regelmäßig in Lübeck. „Nur momentan ist das schwierig, weil die Schule durch die Krise erstmal zu ist“, erklärt er.

Auch Malek, der in der Spandauer Filiale lernt, war inzwischen schon dreimal in Lübeck. „Das war auch gut“, sagt er. „Aber ich habe Probleme mit Theorie – also mit Politik, Wirtschaft, Physik, weil meine Sprache noch nicht gut genug ist.“

Für Yaser, der schon deutlich besser Deutsch spricht, ist es in Lübeck ebenfalls nicht immer leicht. Er hatte gerade schriftliche Prüfung: „Wir hatten viele Aufgaben und nicht viel Zeit“, erzählt er. „Man muss immer schreiben, was man kann. Und wenn man nicht so schnell schreiben kann, ist es schwer. Meine Muttersprache ist ja auch Arabisch.“

Dennoch, an seiner Entscheidung für den Hör- akustiker-Beruf zweifelt der junge Mann nicht: „Erstmal gefällt mir, dass der Beruf so vielfältig ist. Man hat handwerkliche Arbeit und Technik. Man hat auch mit dem Computer zu tun. Und das wichtigste ist, dass man immer mit Menschen in Kontakt bleibt. Man kann Menschen helfen, damit sie zum Beispiel wieder ihre Familie hören, ihre Enkelkinder. Gerald von unserem Ausbildungsteam hat davon erzählt, dass er Anpassungen bei Kindern macht. Er ist auch Pädakustiker. Manche Kinder waren schon als kleine Babys bei ihm, und inzwischen sind sie 15 oder 16. Über so lange Zeit hat man immer wieder mit einem Menschen zu tun. So eine Erfahrung ist schon krass.“
Yongjoong Lee: „Woanders muss man Meister immer siezen. Und bei den HörPartnern duzen wir uns alle.“

Fragt man die drei, was sie an ihrem Ausbildungsbetrieb besonders mögen, sind die Antworten ziemlich gleich: „Hier hat niemand die Nase hoch, woanders war das so“, erzählt Malek, der durch seine Praktika verschiedene Unternehmen erlebt hat. „Und es gibt nicht so viele Regeln. Es ist down to earth.“ Also bodenständig.

„Malek hat gut beschrieben, wie es bei den HörPartnern läuft“, bestätigt Yaser. „In meiner Klasse in Lübeck lernen viele bei Großfilialisten. Wenn sie so erzählen, was sie alles beachten müssen … Bei uns ist es viel entspannter. Natürlich müssen wir auch viel beachten, aber es ist nicht so streng geregelt. In manchen anderen Betrieben müssen die Azubis immer genau das gleiche tun. Wenn ein Kunde reinkommt, muss man ihn höflich grüßen, ihm einen Sitz anbieten, ihm Kaffee bringen. Ich mache das auch und ich finde es auch höflich. Aber man kann verschiedene Wege gehen. Wir können auch vorschlagen, was man vielleicht anders machen kann. Oder wir können je nach Kunde entscheiden. Der Mensch ist ja keine Maschine.“
„Ich glaube, es ist nicht bei allen Hörakustikern so locker wie bei den HörPartnern“, ergänzt Lee. „Wenn ich zum Beispiel von Klassenkameraden höre, was da so abläuft … Da muss man die Meister immer siezen statt duzen. Bei den HörPartnern duzen wir uns ja alle. In manchen Betrieben müssen die Azubis Anzüge tragen. Bei uns kann man auch Anzug tragen, aber man muss das nicht.“ Meine drei Gesprächspartner erzählen, dass sie auf der Arbeit meist Hose und Hemd anziehen – entweder ein HörPartner-Hemd oder ein anderes. Yaser trägt manchmal auch Anzug, aber nur bei einem Abschlusstermin.

Malek: „Die älteren Menschen sind entspannter als die Babyboomer“
Dann berichten die drei von ihren Erlebnissen beim täglichen Kundenkontakt: „Wenn die alten Kunden aus der DDR-Zeit so Dialekt sprechen, dann geht das rucki-zucki“, sagt Lee. Das sei für ihn längst nicht so schwer, wie in der Schule lange Texte zu schreiben und zugleich auf Grammatik zu achten.

Malek hat festgestellt, dass sich die älteren Kunden anders verhalten als die jüngeren: „Die sind mehr entspannt als die Babyboomer. Die Babyboomer sind immer so schnell. Sie haben Stress. Aber die Älteren haben mehr Zeit. Sie merken, dass meine Muttersprache nicht Deutsch ist, und fragen, woher ich komme. Ich sage dann: aus Syrien. Und dann reden sie und sind neugierig.“ So ein Smalltalk, gesteht er mir, sei für ihn noch schwierig: „Da bin ich schnell blockiert. Wenn ich etwas zum Audiogramm erklären will, dann geht das fast professionell. Aber wenn es darum geht, was der Kunde heute gemacht hat … Er erzählt und erzählt und ich denke nur: okay. Gut ist es nur, wenn es mit meinem Fach zu tun hat. Weil ich das ja fast jeden Tag mache.“

Für die anderen beiden ist Smalltalk keine so große Hürde mehr, bestätigt auch der Deutschlehrer. „Im Moment“, erklärt er, „machen wir erstmal einen Crash-Kurs in Deutscher Grammatik. Wenn das erledigt ist, werden wir andere Dinge trainieren – Briefe schreiben, Unterhaltungen führen. Wir schauen uns an, wie man mit den Kunden umgeht, welche Höflichkeitsformen wichtig sind usw.“

Großes Ziel der drei Auszubildenden ist die Gesellenprüfung. Lee hat schon ein bisschen Angst davor; auch, weil er bei Prüfungen sehr schnell nervös wird. Und Yaser will die Prüfung im nächsten Sommer unbedingt bestehen und dann bei den HörPartnern bleiben: „Hier gefällt es mir immer noch, und Berlin ist ja auch eine sehr schöne Stadt. Ich bin gerne hier.“

Herr Franke: „Ich finde es wichtig, dass man ein bisschen auf den jeweiligen Kunden eingeht“

Szenenwechsel: Einige Tage später in Berlin-Lichtenrade. In der Bahnhofstraße, zwischen Geschäften, Friseur und Supermarkt, befindet sich auch ein Fachgeschäft der HörPartner. Geleitet wird die Filiale von Hörakustiker-Meisterin Juliane Stärke, die das Geschäft gemeinsam mit einem Gesellen und einer Hörberaterin betreut – und zusammen mit Yaser Almohammad, der sich bei meiner Ankunft gerade um Herrn Franke, einen Kunden, kümmert.

Herr Franke sitzt in der Anpasskabine. Der Auszubildende bereitet ihn auf die Insitu-Messung vor. Und er erklärt seinem Kunden zugleich, was er jetzt vor hat: „Das ist eine so genannte Insitu-Messung. Von dem Lautsprecher dort wird der Schall abgegeben. Und hier gibt es auf beiden Seiten ein Mikrofon. Es wird der Schall gemessen, der an Ihrem Trommelfell ankommt. Dann kann man in der Software schauen, wie man das ganz individuell für Sie einstellt …“

Herr Franke hört interessiert zu. „So, das kitzelt jetzt ein bisschen, Herr Franke“, sagt Yaser schließlich, während er die Sonden im Ohr des Kunden platziert. „Ja, das ist schön“, meint Herr Franke und lächelt.

Herr Fanke, erfahre ich, ist in den letzten Wochen bereits mehrmals von Yaser betreut worden: „Er ist sehr zuvorkommend und man fühlt sich als Kunde bei ihm wohl“, versichert mir der ältere Herr. „Ich finde es wichtig, dass man auch ein bisschen auf den jeweiligen Kunden eingeht. Und das kann er sehr gut. Er hat sich von Anfang an auf mich eingestellt.“

Juliane Stärke: „Im Unterschied zu anderen Azubis liegt der Fokus noch mehr auf der Kommunikation.“

Nach dem Kundentermin habe ich Gelegenheit zu einem Gespräch mit Juliane Stärke, die als Filialleiterin schon viele Azubis betreut hat und die auch für Yaser die wichtigste Ansprechpartnerin ist. Grundsätzlich ist die Meisterin mit Yasers Arbeit zufrieden: „Es läuft sehr gut. Wobei der Fokus im Unterschied zu anderen Azubis noch mehr auf der Kommunikation liegt. Wir haben eben Kunden, die uns manchmal nicht verstehen können. Richtiger Umgang und Sprache sind da sehr wichtig. Das wird ja auch im Deutschkurs weiter trainiert.“
Bei der täglichen Arbeit muss sich Yaser einer Vielzahl von Aufgaben stellen. „Ein gutes Training ist zum Beispiel die Laufkundschaft, die spontan kommt“, so Juliane Stärke. „Bei der weiß ich ja nicht, welches Problem auf mich zukommt.“ Aber auch Nachsorgetermine und Hörtests gehören zu Yasers Aufgaben. „Und er macht die Vorbereitungen für mich. Bei Neukunden übernimmt er zum Beispiel den ersten Teil des Termins. Liegen die Messunterlagen und das Anamnesegespräch vor, dann steige ich ein. Auch da gibt es viel Kommunikation.“
Ein Vorteil sei – so meine Gesprächspartnerin – das Yaser in den beiden anderen Kollegen noch zwei weitere Ansprechpartner hat, von denen er lernen kann: „Yaser kann bei jedem von uns mitlaufen und dadurch immer noch mal einen anderen Blick bekommen. Manchmal erleichtert es das Verständnis, wenn jemand die gleichen Dinge noch etwas anders sieht und erklärt. Eine besondere Herausforderung für uns ist es, bei seinen Gesprächen sehr genau hinzuhören. Manchmal verändert schon ein kleiner Fehler den Sinn eines Satzes. Vor ein paar Tagen etwa meinte Yaser zu einer Kundin: ‚Ich schenke Ihnen ein Reinigungsmittel mit.‘ Nur durch dieses kleine Wort ‚mit‘ reagierte sie irritiert. Sie wusste nicht: Bekomme ich das jetzt geschenkt oder muss ich vielleicht doch bezahlen. Sowas besprechen wir dann im Nachgang.“

Erfahrungen sammeln durch Konfrontation mit immer neuen Kunden und Situationen

In der Filiale in Lichtenrade ist Yaser erst seit Beginn des zweiten Lehrjahrs. „Vorher war ich in Dahlem, wo ich auch das Praktikum hatte“, erzählt der Auszubildende. „Es hatte mir dort gut gefallen. Aber es gab nicht viel Laufkundschaft. Ich habe vor allem Messungen gemacht. Es war der Einstieg in die Ausbildung. Aber jetzt ist es hier viel besser.“
„Da haben wir auch Erfahrungen gesammelt“, ergänzt die Meisterin. „Wir brauchten erstmal ein Gefühl dafür. Es ist wichtig, Azubis wie Yaser vor allem dort einzusetzen, wo viel los ist. Sie werden ja nur gefordert, wenn sie sich immer wieder mit neuen Situationen konfrontieren müssen.“

Wie herausfordernd der Kundenkontakt für den Auszubildenden ist, hänge sehr vom Kundentyp und von der Situation ab: „Bei Abläufen, die regelmäßig wiederkehren, etwa bei Messung, Einweisung, Anamnesegespräch, funktioniert es sehr gut“, so Juliane Stärke. „Schwieriger wird es bei spontanen Gefühlsregungen der Kunden; also in Momenten, in denen man so ein bisschen Feingefühl braucht, und auf die man sich schlecht vorbereiten kann. Darauf achten wir auch sehr und trainieren es.“

Eher keine Rolle spielten bei Yaser interkultur- elle Probleme, so die Meisterin: „Er ist sehr wissbegierig, hat viel Vorwissen und ist auch sehr weltoffen eingestellt. Ich musste ihm zum Beispiel nicht erklären, dass es in Deutschland nicht dieses typische Männer- und Frauenbild gibt. Außerdem ist Yaser ein sehr zuverlässiger Mensch. Man kann sich immer auf ihn verlassen. Er ist sehr motiviert und er will seine Aufgaben bestmöglich erfüllen. Auch wenn wir darüber reden, wo er ein bisschen mehr machen muss. Dann setzt er sich hin und erarbeitet Dinge auch selbstständig.“

Yaser: „Ich denke nie darüber nach, ob der Kunde vielleicht Vorurteile hat“

Natürlich – schätzt die Meisterin ein – sei es für Yaser deutlich schwerer als für Azubis, deren Muttersprache Deutsch ist; gerade in einem so kommunikativen Beruf: „Er muss mehr leisten, um die Gesellenprüfung zu schaffen. Und er wird auch nach der Prüfung noch Unterstützung brauchen.“

Dass die HörPartner Bewerbern wir Yaser eine Chance geben und dafür weniger Wert auf beste Schulnoten legen, findet auch Juliane Stärke in Ordnung: „Zeugnisse zeigen eben nie einen ganzen Menschen. Natürlich ist Fachwissen wichtig. In unserem Beruf ist eine hohe soziale Kompetenz aber mindestens ebenso wichtig. Jemand kann fachlich noch so gut sein; wenn er nicht gut mit dem Kunden interagieren kann, wird aus ihm kein guter Akustiker. Bei uns in der Firma arbeiten Bewerber immer erst ein paar Tage zur Probe. Dadurch bekommt man ein viel besseres Bild von einem Menschen als nur durch die Papierform. Man sieht, ob eine Basis da ist, auf der man aufbauen kann.“
Wenn ein Azubi – so wie Yaser – gut mit Kunden umgehen kann, sei das schon ein großer Vorteil. Auch die meisten Kunden würden ihm sehr aufgeschlossen begegnen: „Und das, obwohl wir hier in Lichtenrade keine so einfache Klientel haben“, so die Meisterin. „Die Leute sind sehr anspruchsvoll, legen Wert auf Professionalität und schauen genau hin. Alles ist eher konservativ, sehr deutsch. Und es gibt tatsächlich Kunden, die anfangs skeptisch auf Yaser reagieren. Die stellen dann jedoch fest, dass jemand mit Migrationshintergrund genauso ein Mensch ist wie sie.“

So wie die Kundin neulich, an die Juliane Stärke jetzt denken muss: „Sie kam hier rein, hat Yaser gesehen und ich spürte sofort, sie will nichts mit ihm zu tun haben. Und sie hat mir erklärt, dass die Ausländer ja immer alles kriegen … Als sie fertig war, habe ich gesagt: ‚Frau Soundso, mein Kollege, der Herr Almohammad, macht jetzt den Hörtest mit Ihnen.‘ Hinterher meinte sie dann: ‚Ich wollte ja nur noch sagen, so war das vorhin ja gar nicht gemeint …‘ Yaser hingegen ist die ganze Zeit absolut positiv geblieben. Das ist wirklich gut, dass er nie mit so einem Vorurteil reingeht.“

Yaser selbst hat dazu eine klare Meinung – und einen Tipp: „Wenn jemand mit Migrationshintergrund diesen Artikel liest, dann möchte ich ihm sagen: Man sollte immer vermeiden, daran zu denken, dass derjenige, der vor einem sitzt, vielleicht Vorurteile hat. Ich denke nie darüber nach, ob der Kunde gerade denkt: ‚Er kommt aus Syrien und kann mich gar nicht richtig behandeln.‘ Man muss jedem Kunden offen und ehrlich begegnen.“

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