Zu Gast bei den 3D-Infotagen – „Auf vorhandenes Wissen zurückgreifen“

Die Integration einer digitalen Otoplastikfertigung im eigenen Betrieb ist nicht einfach. Vor allem, wenn man bei null anfängt. Doch wie sieht ein möglicher erster Schritt aus?

Veröffentlicht am 11 März 2020

Zu Gast bei den 3D-Infotagen – „Auf vorhandenes Wissen zurückgreifen“

Anlässlich der 3D-Infotage war Audio Infos im Februar zu Gast bei der egger Otoplastik & Labortechnik GmbH in Kempten.

Information und Wissen werden gern verwechselt. Informationen dienen der Aufklärung und bilden die Grundlage, dass Wissen aufgebaut werden kann. Wissen aber setzt voraus, dass der Umgang mit einer Thematik gekonnt erfolgt. Denn nur weil man gut informiert ist, heißt das nicht, dass man etwas auch beherrscht.

Das gilt für alle Lebensbereiche, insbesondere in solchen, in denen man sich Informationen zusammensuchen muss. In der Hörakustik ist das zum Beispiel das noch sehr junge Thema 3D-Druck. Bedenkt man, dass der amtierende FDH-Präsident Andreas Bögl 2012/13 deutschlandweit der erste Hörakustiker war, der ein 3D-Drucksystem in ein Hörakustikfachgeschäft integrierte, dann ist das noch gar nicht so lange her. Wer sich heute aber genau umschaut wird feststellen, dass es eine ganze Reihe an Informationsangeboten gibt. Beginnend mit biha und EUHA, die in Lübeck oder über Fachveranstaltungen, wie etwa den Landestagungen, immer wieder zu diesem Thema informieren.

Doch das sind nicht die Einzigen. Auch die Hersteller und Dienstleister stellen eine Menge an Bemühungen am Markt an, um Hörakustikfachgeschäfte rund um das Thema 3D-Druck und Otoplastiken zu informieren. Hierzu gehört auch egger Otoplastik & Labortechnik. Das bayerische Traditionsunternehmen, das 1953 durch Hans Egger gegründet worden ist und sich intensiv mit der Produktion von Funktions- otoplastiken, Halteplastiken, Gehörschutzplastiken, Spritzwasserschutzplastiken sowie In-Ear Monitoring beschäftigt, bietet seit drei Jahren in regelmäßigen Abständen Informationstage zur digitalen Otoplastikfertigung an.

Der Hintergrund besteht darin, dass das Unternehmen aus Kempten in den vergangenen Jahren neben der Produktion von Otoplastiken ebenso den Vertrieb von 3D-Druck-Prozessen vorantrieb. Entsprechend können egger-Kunden heute wählen, welche Prozessschritte sie bei der Erstellung einer Otoplastik in Anspruch nehmen wollen. Umso mehr freute sich daher Dietmar Ungar, Geschäftsführer der egger Otoplastik & Labortechnik GmbH, zu den beiden Informationstagen am 10. und 14. Februar jeweils einen komplett ausgebuchten Workshopraum vorzufinden, etwa 40 Hörakustiker aus dem deutschsprachigen Raum waren angereist.

Nachdem Ungar die Vielzahl interessierter Hörakustiker in der Unternehmenszentrale im Aybühlweg begrüßt hatte, kam der Geschäftsführer direkt auf das Workshopthema zu sprechen. „Zu einer guten Otoplastik gehört mehr, als nur der Wunsch und der Glaube zu wissen, wie eine aussieht. Hinter jeder Otoplastik stehen viele einzelne und kleine Schritte, die man kennen muss, um eine biokompatible Otoplastik in Händen zu halten. Den 3D-Weg dorthin wollen wir Ihnen heute demonstrieren.“ Danach übergab Dietmar Ungar das Wort an Daniel Paul, dem Kundensupportleiter bei egger.

Dieser beschäftigte sich zunächst mit dem ersten Prozessschritt, dem Scannen. Das sei die Grundlage für jeden weiteren Schritt. „Für viele mag das selbstverständlich klingen, doch bereits hier warten viele Tücken und Fallen, die die weitere Bearbeitung stark beeinflussen können“, so Daniel Paul, der sich die Zeit nahm, das sowohl anhand offener, als auch geschlossener Scannersysteme zu demonstrieren. Nachvollziehbar, schließlich würden egger zufolge heute nur etwa 30 Prozent aller Hörakustikbetriebe einen Scanner nutzen. „Auch wenn ein Scanner sich rein durch die Portokosten nicht amortisieren lässt, entstehen Zeit- und indirekte Kostenvorteile“, wirbt daher Daniel Paul.

Danach ging Paul zur Frage über, wie schnell ein Einstieg in den 3D-Druck gelingen kann. Anhand einiger Beispiele illustrierte er deutlich, dass man bereits diese Frage nicht pauschal beantworten könne. „Dies hängt natürlich, gerade was das modellieren betrifft, von den individuellen Fähigkeiten und Vorerfahrungen eines jeden Einzelnen ab. Natürlich gibt es die Überflieger, die sich so etwas selbst beibringen können. Grundsätzlich können wir aber nur zu Schulungen raten, zumal es mindestens zwei bis zweieinhalb Monate dauert, bis man wirklich alleine das erste Ohrpassstück selbständig modellieren kann. Und den Dreh hat man frühestens nach sechs Monaten heraus. Doch selbst da würde ein Ulrich Voigt wahrscheinlich nur den Kopf schütteln“, weiß der Kundensupportleiter aus Erfahrung.

In der Folge ging Daniel Paul erstmalig auf die einzelnen Prozessschritte beim 3D-Druck ein. Er gab einen Überblick, welche Software am Markt verwendet wird, zeigte im Groben die verschiedenen Materialien auf, die zum Einsatz kommen, und ging kurz auf den Druckablauf sowie den Post-Prozess ein.

Nach einer kleinen Kaffeepause übernahm Produkttrainer Enrico Giuliano. Auch er begann zunächst mit ein paar praktischen Tipps für das Scannen. Dabei zeigte er den Teilnehmern unter anderem auf, dass bereits das Abstauben eines offenen Scanners zufolge hat, dass dieser wieder neu kalibriert werden muss. Hauptaugenmerk des zweiten Workshop-Abschnitts galt aber dem Modellieren. Zuerst durch Enrico Giuliano mit der 3Shape-Software, danach durch den Gastreferenten Andreas Bögl mit der Cyfex-Software. Hierbei erhielten die Teilnehmer nicht nur einen ersten Eindruck, wie man modelliert und welcher grobe Unterschied zwischen den beiden Softwareprogrammen steckt.

Durch die beiden Vorträge wurde auch sehr schön deutlich, dass die Kunst der Anfertigung darin besteht, sich möglichst gute Templates anzulegen. Während Andreas Bögl dies anhand der Cyfex-Software demonstrierte, konnten die Teilnehmer vernehmen, dass Bögl allein für seinen Betrieb über 216 verschiedene Templates verwendet – und das, obwohl er weder IdOs, noch Gehörschutz, noch Schwimmschutz oder In-Ears anfertigt. Nicht zuletzt informierten beide Referenten, wie eine Bauplattform im 3D-Drucker mit beiden Softwareprogrammen zu bestücken ist.

Nach der Mittagspause erhielten die Teilnehmer durch Marc Schmidt, verantwortlich für die Prozessvalidierung, eine Einführung in den Postprozess, der aus Reinigung, Trocknung und Nachhärtung des Rohlings besteht. Durch seine Ausführungen wurde noch einmal deutlich, dass jedes direkt gedruckte Material nachzuhärten ist, damit es biokompatibel wird.

Spannend wurde es ebenfalls, als Andreas Bögl im Anschluss den Teilnehmern schilderte, unter welchen abenteuerlichen Rahmenbedingungen er acht Jahre zuvor 3D-Druck im eigenen Betrieb integrierte. „Ich habe das Glück gehabt, 3D-Druck sehr früh zu sehen. Das hat mich gleich komplett in den Bann gezogen, und deshalb wollte ich es haben. Doch unabhängig von den Preisen, die damals herrschten, waren die Angebote alle auf die Hersteller und Großlabore ausgerichtet. Es gab keinen, der einen auf die einzelnen Schritte vorbereitete und darüber informierte. Da haben Sie es deutlich einfacher“, erzählt Andreas Bögl, der, wie er selbst sagt, viel Lehrgeld gezahlt habe.

Zudem machte er deutlich, dass 3D-Druck ein Prozess darstelle, der nie zu Ende ginge. Es werde immer neue Materialien, bessere und schnellere Drucker, aber auch neue Software geben. Trotz jeglichen Aufwands habe Bögl den Schritt nicht bereut, weil er sich, dauerhaft gesehen, für Kunden wie auch den Betrieb lohne. Entsprechend gab Bögl den Teilnehmern abschließend folgenden Rat, bevor der Workshop mit einem Rundgang durch die Produktion beendet werden sollte. „Wenn Sie im Betrieb die Otoplastik als individuelles Maßobjekt und Qualitätsmerkmal für den Kunden sehen, dann haben Sie den Schritt zur individuellen Anpassung geschafft, auch weil Sie merken werden, dass Ihre Anpassungen besser werden. Aber ich würde Ihnen raten, immer auf vorhandenes Wissen, ob nun kostenpflichtig oder nicht, zurückgreifen. Denn die Zeit, die Sie mit Ärger und Schimpferei verbringen, ist es einfach nicht Wert.”