Paul Rottler und Petra Walter-Niemand von Brillen Rottler im Gespräch - "Eine gewisse Größe ist nötig und sinnvoll"

Mit der Übernahme der Pleines Fashion Optik & Hörakustik ist die Brillen Rottler GmbH & Co. KG auf 91 Standorte gewachsen. An 51 dieser Standorte wird auch Hörakustik betrieben. Wir sprachen mit Geschäftsführer Paul Rottler und Petra Walter-Niemand, die die Hörakustik-Sparte leitet. Ein Besuch bei einem aufstrebenden Unternehmen. 

Veröffentlicht am 17 Oktober 2019

Paul Rottler und Petra Walter-Niemand von Brillen Rottler im Gespräch – “Eine gewisse Größe ist nötig und sinnvoll”

Herr Rottler, Frau Walter-Niemand, die Brillen Rottler GmbH & Co. KG hat zum 1. Juli dieses Jahres das Unternehmen Pleines Fashion Optik & Hörakustik mit 24 Standorten übernommen. Was waren die Hintergründe der Übernahme?
Paul Rottler: Wir möchten weiter wachsen. Unser Fokus liegt auf Nordrhein-Westfalen und das südliche Niedersachsen, und die Pleines-Standorte befinden sich hauptsächlich am Niederrhein in Richtung Aachen. Der Bereich passt ideal zu uns. Dazu kommt, dass wir mit Familie Pleines seit langem befreundet sind. Wir haben uns beide zu Opticland bekannt …

… einer Einkaufsgemeinschaft, die neben der Optik auch im Bereich der Hörakustik tätig ist.
Paul Rottler:Richtig. Opticland ist mit über 500 Standorten in der Optik aus meiner Sicht eine der durchsetzungsstärksten Gruppen in der Augenoptik. In der Hörakustik bildet Opticland zusammen mit Audimus eine starke Einkaufsgemeinschaft. Und da saßen wir auch mit Familie Pleines am Tisch, die wir nun seit über 20 Jahren kennen. Die Übernahme von Pleines ist für uns klar eine strategische. Wir haben keinerlei Standortüberschneidungen, so dass wir mit der Übernahme eine 100prozentige Standortausweitung haben. Das macht sie für uns zu einem Glücksgriff. Zumal wir glauben, dass im Zuge der Herausforderungen des Marktes eine gewisse Größe nötig und sinnvoll ist, um sich gut aufstellen zu können.

Gibt es in allen 24 Pleines-Geschäften eine Abteilung für Hörakustik?
Paul Rottler:In 23 von 24 Geschäften.

Damit haben Sie die Anzahl Ihrer Akustik-Standorte in etwa verdoppelt.
Paul Rottler:Die Verdopplung ist für unsere Organisation natürlich eine Herausforderung. Stand heute haben wir acht Wochen hinter uns, eine hoch spannende Zeit. Wir durften eine Menge toller neuer Kollegen kennenlernen und freuen uns, sie in unserer Familie begrüßen zu dürfen. Aktuell sind wir noch in der Bestandsaufnahme, aber das Ziel ist natürlich, die Prozesse aufeinanderzulegen, um die Synergien zu erhalten, die wir hier brauchen.
Petra Walter-Niemand:Den gesamten Juli über haben wir zusammen mit Herrn Wendrich (Vertriebsleiter und Geschäftsführer der Augenoptik) die neuen Standorte besucht. Mein Fokus lag dabei auf dem Akustik-Bereich. So konnte ich die Teams und die einzelnen Filialen kennenlernen. Dabei ging es auch um Fragen wie: Welche Wünsche haben die Mitarbeiter? Welche Ideen sollten weitergeführt werden? Was sollte sich ändern?  Wer möchte die Meisterprüfung machen? Da wir in der Akustik schon ziemlich gut aufgestellt sind, war das für die neuen Standorte ein Schritt nach vorne. So werden dort nun Schritt für Schritt unsere Standards hinzukommen wie zum Beispiel die Perzentilanalyse oder unser Klangstudio.

Sie betreiben insgesamt 91 Geschäfte, davon haben Sie in 51 auch eine Hörakustik-Abteilung. Welchen Stellenwert nimmt die Hörakustik bei Ihnen neben der Augenoptik ein?
Paul Rottler:Wir sind seit über 50 Jahren in der Hör- akustik vertreten, unseren ersten Hörakustik-Standort hatten wir hier in Neheim. Doch dann haben wir das Thema ein Stück weit aus dem Fokus verloren. Um einen Zweiten zu etablieren brauchten wir fast 20 Jahre. Rottler ist durch und durch ein Familienunternehmen, das mein Opa 1946 hier in Neheim gegründet hat. Nach seinem frühen Tod führten mein Vater, meine Mutter und meine Tante, die Mutter von Frau Walter-Niemand, das Unternehmen. Und die hatten ihren Fokus auf der Optik, auch wenn meine Mutter Augenoptik-Meisterin und Hörakustikerin ist. So entwickelte sich das Unternehmen immer weiter. Vor etwa acht Jahren haben wir uns gesagt, dass wir unseren Fokus auf die Hörakustik legen und diese als gleichwertiges Standbein aufbauen wollen. Dass Petra Walter-Niemand dabei unser Gesicht für die Akustik ist, freut mich ungemein.

Frau Walter-Niemand, heißt das, dass Sie erst vor rund acht Jahren in das Unternehmen eingestiegen sind?
Petra Walter-Niemand:Nein, ich habe nach meinem Abitur in Neheim meine Ausbildung zur Hörakustikerin begonnen und zusätzlich noch die Ausbildung zur Augenoptikerin. In beiden Bereichen habe ich dann die Meisterprüfung absolviert und in Werl ab 1992 das erste Geschäft geleitet. Seit einigen Jahren bin ich nun für die Weiterentwicklung der Hörgeräte-Filialen zuständig, und es macht mir viel Spaß, das Wachstum zu begleiten.

Welche Vorteile sehen Sie für sich in der Kombination der beiden Disziplinen Augenoptik und Hörakustik?
Paul Rottler:Nahezu 100 Prozent der Hörakustik-Kunden sind auch potenzielle Optik-Kunden. Andersherum können wir Optik-Kunden so etwas leichter an die Hörakustik heranführen. Daraus kann sich also eine hohe wirtschaftliche Synergie ergeben. Was mir außerdem wichtig ist: Wir können die Menschen, die zu uns kommen, ganzheitlich betreuen,  mit einem Optiker- und Akustikermeister. Dadurch können wir eine persönliche Betreuung anbieten, die für den Kunden in jedem Fall Vorteile bietet. Durch die beiden Disziplinen haben wir außerdem eine höhere Auslastung in unseren Betrieben. Vergleichbar sind die beiden Sparten allerdings nicht. Das sind klar unterschiedliche Branchen, die zwar artverwandt sind, aber die Produkte sind es eben nicht.

In der Hörakustik wird davon gesprochen, dass Betroffene das Thema Versorgung gerne mal auf die ganz lange Bank schieben. Das dürfte in der Optik anders aussehen, oder?
Paul Rottler:Dadurch, dass sich die Optik so in den Modebereich hinein entwickelt hat, ist es da glücklicherweise nicht so. Da geht es schon mehr in die Richtung der Zweit- oder Drittbrille, um etwas zum Wechseln zu haben. Zudem hat man in der Optik einen schnelleren Wiederbeschaffungsrhythmus, der liegt bei etwa drei Jahren. Dadurch ist man hier viel mehr mit dem Kunden im Austausch. Wenn der Kunde so Vertrauen entwickelt, wird man ihn bei Bedarf auch einfacher an die Hörakustik heranführen können.
Petra Walter-Niemand:Wenn ein Kunde zum Sehtest oder zur Augenanalyse zu uns ins Geschäft kommt, können wir ihm einen kostenlosen Hörtest anbieten und das Thema Hörsysteme näherbringen. So entsteht oft der erste Kontakt, und die Hörgeräteversorgung wird nicht mehr  auf die lange Bank geschoben.

Heißt das, dass Sie langfristig versuchen werden, die Akustik an all Ihren Optik-Standorten zu integrieren?
Paul Rottler: Da, wo es möglich ist, wollen wir das machen. Wobei das nicht überall so schnell gehen wird, wie wir uns das wünschen. Wir haben die gleichen Herausforderungen wie viele in der Branche, wenn es um das Mitarbeitersuchen und die Mitarbeiterqualifikation geht. Dazu kommt natürlich die räumliche Herausforderung, wenn man beide Bereiche anbieten möchte.

Sie haben auch einige Franchise-Nehmer. Sind das ebenfalls alles Mischbetriebe?
Petra Walter-Niemand:Wir haben auch reine Akustik-Franchise-Partner, die meisten sind allerdings parallel in der Optik tätig.
Paul Rottler:Wir haben das Thema nie massiv beworben. Die bestehenden Partnerschaften haben sich einfach entwickelt. In der Optik begleiten wir das Thema aber schon sehr lange. Teilweise sind da unsere Partner sogar ehemalige Mitarbeiter, die sich selbstständig gemacht haben, aber noch etwas Rückhalt für den Einkauf, das Marketing etc. brauchten. Und da wir das in der Optik bereits länger anbieten, war die logische Konsequenz, dass wir das nun seit zwei Jahren auch für die Akustik anbieten.

Ihr Firmenmotto lautet: „Rottler macht mich glücklich“. Wie schafft man es, dem an allen Standorten stets gerecht zu werden?
Paul Rottler:Unsere Philosophie ist ganz klar: Nur wenn die Kollegen, die Mitarbeiter glücklich sind, können sie auch unsere Gäste, die Kunden, glücklich machen. Dafür haben wir vor sieben Jahren unsere Glücklich-Werte definiert, da steht jeder Buchstabe für einen Wert, nach dem wir unser Unternehmen führen (siehe Kasten auf der nächsten Seite). Zudem liegt unser Fokus sowohl in der Akustik als auch in der Optik klar auf den Bereichen Dienstleistung und Service. Dazu kommen das Personal und ein gesundes Preis-Leistungsverhältnis für den Endkunden.

Es geht also nur über glückliche Mitarbeiter?
Petra Walter-Niemand:Ja, zufriedene und glückliche Mitarbeiter bedeuten auch zufriedene und glückliche Kunden. Mitarbeiter und Kunden fühlen sich in den modernen ausgestatten Geschäften sehr wohl, so dass wir audiologisch immer auch eine Perzentilanalyse vornehmen und verschiedene Hörsysteme testen können.

Da Sie erwähnen, dass Sie einige Standards wie die Perzentilanalyse haben. Arbeiten Sie nach einem akustischen Konzept?
Petra Walter-Niemand:Das gute Hören und Verstehen mit den Hörgeräten steht für uns im absoluten Mittelpunkt der Tätigkeit. Wir beginnen mit einem individuellen Hörtest und führen dann eine Hörprofil- analyse durch, um die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu ermitteln. Im Rahmen der Hörgeräteanpassung findet die Perzentilanalyse statt, um das Hörgerät optimal anzupassen. Des Weiteren haben wir vor etwa einem Jahr ein eigenes Klangstudio aufgebaut, so dass wir neben den Standard- auch eigene, individuelle Tests, etwa zum Richtungshören, anbieten können. Die Klangbeispiele haben wir dafür extra in einem Tonstudio aufgenommen. Diese Tests gibt es so also nur bei uns. Auch einen Sprache-im-Störlärm-Test haben wir entwickelt, so dass Kunden die Unterschiede zwischen einzelnen Hörsystemen besser erkennen können. Durch das Rottler Klangstudio soll eine Hörgeräteanpassung zum Hörerlebnis werden.

Wenn Sie großen Wert auf die Ausbildung und Qualifikation Ihrer Mitarbeiter legen: Besuchen Ihre Auszubildenden den Campus Hörakustik in Lübeck? In Nordrhein-Westfalen gibt es ja auch eine Berufsschule …
Petra Walter-Niemand: Ich stehe hinter Lübeck, da man dort eine fachlich sehr gute Ausbildung bekommt. Daher gehen unsere Azubis grundsätzlich nach Lübeck. Darüber hinaus fördern wir sie intern vor den Prüfungen mit Auffrischungskursen. Die neuen Azubis haben von uns gerade iPads bekommen, auf denen sie Lehrbücher finden und monatliche Aufgaben, so dass sie gut üben können. Bisher ist noch keiner meiner Azubis durch die Prüfung gefallen. Ich bin da schon ein bisschen streng (lacht). Wir sind übrigens gerade zum Ausbildungsbetrieb des Jahres der HWK Südwestfalen nominiert worden und gespannt, ob wir es bis ganz nach oben schaffen. Bei Pleines war es allerdings anders. Die Auszubildenden besuchen die Schule in Duisburg.
Paul Rottler: In der Optik haben wir bereits ein eigenes Ausbildungszentrum und einen Vollzeitausbilder. Das wollen wir nun auch für die Hörakustik aufbauen. Das ist einfach das A und O, um gewährleisten zu können, dass da gute Anpassungen bei rumkommen. Darum investieren wir gern in unsere Leute.

Inwieweit sind Ihre Akustik-Standorte einheitlich aufgestellt?

Petra Walter-Niemand:Die Rottler-Filialen sind alle einheitlich aufgestellt. Sie haben die gleichen Audiometer, Insitu-Anlagen und Messboxen und arbeiten nach dem dazugehörigen Beratungsleitfaden. Auch das Produktportfolio ist überall einheitlich. Einige Filialen haben wir um den Bereich Pädakustik erweitert.

Haben Sie auch ein eigenes Otoplastiklabor?
Petra Walter-Niemand:Aktuell nicht. Wir arbeiten mit zwei Laboren zusammen, da wir auch unterschiedliche Anforderungen an die Labore haben. Manchmal wird eben ein besonderer Gehörschutz gebraucht oder eine Schmuck-Otoplastik. Langfristig gehe ich jedoch davon aus, dass wir mit einem modernen, professionellen 3D-Drucker mit der digitalen Fertigung der Otoplastiken beginnen.

Wechseln wir das Thema: Wie sieht Ihr Werbekonzept aus? Worauf setzen Sie im Marketing?
Paul Rottler:In unserer Marketingabteilung arbeiten sieben Mitarbeiter. Mit denen spielen wir für das Marketing die komplette Klaviatur und arbeiten mit allen Medien, die uns zur Verfügung stehen. Das reicht von Direct-Mailings und Postwurfsendungen bis hin zur Radiowerbung. Nur Fernsehwerbung ist für uns, leider, keine Option.
Petra Walter-Niemand:Dazu kommt noch das Online-Marketing, für das eine Mitarbeiterin zuständig ist. Zudem kann man auch Termine mit uns online für einen Hörtest oder für eine individuelle Beratung vereinbaren. Nicht zu vergessen sind unsere Social-Media-Aktivitäten auf Facebook und Instagram.
Paul Rottler:Wir sind rund 45 Mitarbeiter in der Verwaltung. Da kann man sich für einzelne Bereiche etwas spezieller aufstellen. Das macht uns große Freude. Und wir lernen auch im Marketing jeden Tag dazu.

Wer sind Ihre Mitbewerber? Die ganz großen Ketten oder eher die Einzelkämpfer?
Paul Rottler: Pauschal kann man das nicht sagen. Grundsätzlich denke ich, dass genug Platz für alle da ist. In der Optik haben wir mit Fielmann und Apollo natürlich zwei starke Spieler. Zudem ist Kind da stark auf dem Vormarsch. Aber das sehen wir sportlich und konzentrieren uns auf uns. Was man aber ganz realistisch sehen muss ist, dass am Markt eine hochgradige Vertikalisierung stattfindet. Das löst eine Dynamik aus, die spannend ist und die weiter zunehmen wird. Aber das ist in vielen Branchen so, daher halte ich das für eher normal. Nur haben wir in Deutschland eben auch die Einmaligkeit der Meisterpräsenz, was gut ist, um die Qualität gewährleisten zu können. Daher werden wir unsere Energie weiterhin vor allem in die Bereiche Personal und Dienstleistung stecken.

Frau Walter-Niemand, Herr Rottler, wir danken Ihnen für das Gespräch.