Bernafon: Carsten Braun im Interview

Am ersten Juli startete Bernafon mit der Auslieferung der Zerena Hörsysteme. Mit dem Launch einher geht die Etablierung der DECSTM-Technologie. 

Veröffentlicht am 07 Juli 2017

Bernafon: Carsten Braun im Interview

Was es mit DECSTM sowie mit den neuen Geräten auf sich hat, darüber sprachen wir mit Carsten Braun, Leiter der Audiologie bei Bernafon.

Herr Braun, Bernafon hat zuletzt auf Anzeigen kommuniziert, „Aus adaptiv wird dynamisch.“ und „Am 1. Juli wird alles anders“. Was stand bei Bernafon für den 1. Juli dieses Jahres an?
Wir haben eine neue Chip-Plattform, eine neue Geräte-Technologie sowie eine neue Fitting-Software auf den Markt gebracht. Dahinter verbergen sich ein neues audiologisches und ein neues technisches Konzept, in dessen Fokus bei uns erneut der Hörgerätenutzer steht.

Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, Sie hätten den Fokus auf die Endkunden gesetzt?
Schaut man sich an, welche Hörsituationen ein Kunde erlebt, erkennt man vor allem eines: Die Situationen sind sehr individuell und absolut unvorhersehbar. Jede Kopfdrehung kann Menschen in kürzester Zeit in vollkommen neue Hörsituationen versetzen und das unter Umständen viele Male in der Minute. Kunden befinden sich also in extrem dynamischen Umgebungen. Solche Umgebungen erfordern Hörgeräte, die ebenfalls dynamisch arbeiten. Und genau das tut Zerena. In Zerena setzen wir erstmals unsere DECSTM -Technologie ein. DECSTM steht für Dynamik Environment Control System. Das ist das technologische Herzstück der Zerena-Geräte und setzt neue Maßstäbe in der Analyse und Verarbeitung von Hörsituationen. So wird bei uns aus adaptiv nun dynamisch.

Was können wir uns darunter vorstellen? Was tut die DECSTM -Technologie?
Die allermeisten Geräte am Markt arbeiten mit Umgebungsklassifizierungen. Das heißt, in den Hörgeräten sind vordefinierte Klassifizierungen für verschiedene Hörumgebungen hinterlegt. Wir sind jedoch der Ansicht, dass es unmöglich ist, alle Hörsituationen, die der Kunde durchläuft, vorherzusehen. Jetzt ist es gerade 14:05 Uhr. Wie viele Hörsituationen haben Sie wohl heute bis jetzt durchlaufen? 200? 500? Ich denke, mehr. Wie viele Situationen soll ich also hinterlegen? Daher gibt es in Zerena keine vordefinierten Umgebungsklassifizierungen mit hinterlegten akustischen Modellen. Stattdessen verhalten sich die Hörgeräte synchron zur Umwelt. Genau das meinen wir mit dynamisch. Die Zerena-Geräte betreiben extrem viele Datenanalysen pro Sekunde. Sie sammeln eine hohe Datenmenge aus der akustischen Umgebung und füttern damit die Technologien, die sich hinter DECSTM verbergen. Wir möchten nicht nur die Grenzen der Umgebungsklassifizierung erweitern, sondern sie komplett aufheben. Zerena bietet „Hören ohne Limits“ und ist mit der Umwelt vollkommen synchron, so dass sich der Kunde auf sich selbst und seine Hörsituation konzentrieren kann. Viele Nutzer bemängeln immer wieder, dass ihr Hörgerät in dieser oder jener Hörsituation wieder irgendetwas Unvorhergesehenes tut, oder eben nicht tut, weil ihr Hörgerät die Situation anders eingeschätzt hat.

Wie arbeitet die DECSTM -Technologie? Sie hatten eben von extrem vielen Analysen gesprochen …
Der Schlüssel für das Verstehen ist der Signal-Rausch-Abstand (SNR). Wenn man es schafft, diesen kontinuierlich und synchron zur Umwelt konstant hoch zu halten, erreichen wir das, was sich unser Kunde von einer hochwertigen Hörgeräteversorgung erhofft: Wieder das Leben zu führen, das er vor seiner Hörbeeinträchtigung geführt hat. Wir möchten weder, dass unser Kunde Prioritäten setzen muss, noch möchten wir, dass es sein Hörgerät tut. Wir verfolgen das Ziel, dass der Nutzer seine Hörbeeinträchtigung am besten gar nicht bemerken soll. Um das zu erreichen, setzt Zerena primär auf Direktionalität – mit das effizienteste Mittel, den SNR verbessern. Unsere Dynamic Directionality arbeitet mit Null-Steering und scannt permanent in 16 Frequenzbereichen unzählige Polarpatterns, bis der beste Momentanwert mit dem besten SNR gefunden ist. So löschen wir die Elemente, die den SNR verschlechtern, punktuell aus. Man kann sich das so vorstellen, dass wir mit einer Art dreidimensionaler Kerbe das den SNR verschlechternde Signal eliminieren. Zeitgleich überprüft die Dynamic Noise ReductionTM in DECSTM, ob und wie stark weitere Störlärmanteile zu Gunsten des SNR reduziert werden können. Das Ergebnis ist eine sichere Kommunikation, ohne den ursprünglichen Charakter der Hörsituation zu verändern. Flankiert wird die Technologie mit einer komplett neuen Software der Oasisnxt. Bei den ersten Schulungen waren viele unserer Kunden gespannt, ob sie Oasis wiedererkennen werden. Und ja, sie konnten es. Oasisnxt folgt dem gleichen gewohnten Anpassablauf, stellt aber deutlich mehr und erweiterte Funktionen zur Verfügung. Einen automatischen Anpassmanager, bis zu 16 Frequenzsteller, deutlich mehr dynamische Features und vieles mehr. Und selbstverständlich erhalten unsere Kunden weiterhin die volle Kontrolle über alle Funktionen und können diese ganz individuell an die Bedürfnisse ihrer Kunden anpassen.

Am ersten Juli kam Zerena auf den Markt. In welchen Varianten ist es erhältlich?
Wie immer, wenn wir neue Geräte auf den Markt bringen, bieten wir gleich mehrere Bauformen und Leistungsklassen an. Es gibt also das Zerena 9, 7 und 5 sowie neues Wireless Zubehör und neue Anbindungsmöglichkeiten an Smartphones. Zerena ist also auch Made for iPhone® – und das in allen Leistungsklassen. In puncto Bauformen der Geräte sind das einmal ein klassisches HdO sowie zwei RITE-Geräte, ein formschönes MiniRITE und das MiniRITE T. Letzteres verfügt außerdem über eine T-Spule und einen Doppeltaster der in seiner Funktion frei definiert werden kann. Für alle RITE-Geräte stehen vier Hörertypen und eine große Auswahl an akustischen Optionen zur Verfügung. Zudem verfügt Zerena über eine Tinnitus-Funktion, also über einen Klanggenerator zur Unterstützung unserer Kunden in ihrem Tinnitus-Programm.

Einher mit dem Start von Zerena geht auch eine neue App. Was hat es mit der auf sich?
Richtig, es gibt die neue EasyControl-A App.Wie der Name schon sagt, ist diese sehr intuitiv zu bedienen. Man kann mit ihr die Grundfunktionen der Hörgeräte steuern, Streamingpegel verändern und auch auf das iPhone-Mikrofon zugreifen und es als Konferenzmikrofon verwenden. Außerdem kann man den Programmen personalisierte Bezeichnungen geben und diese als Sprachansage auf die Hörgeräte übertragen. Wie erwähnt, ist Zerena zudem ein Made for iPhone® Hörgerät  und verfügt damit auch über sämtliche Bedienoptionen der iOS-Plattform.

Rührt DECSTM auch an der ChannelFreeTM -Technologie? Oder wird die weiter für die Signalverarbeitung genutzt?

Zerena ist zu 100% Bernafon. Das heißt, wir haben ganz viele Funktionen, wie ChannelFreeTM, Speech Cue PriorityTM oder Frequency CompositionTM, die sich über die Jahre als sehr gut und wegweisend etabliert haben, selbstverständlich beibehalten bzw. weiter optimiert und ausgebaut. ChannelFreeTM konnten wir nicht mehr besser machen. Aber dank der neuen Chip-Möglichkeiten konnten wir das Signal, das in den ChannelFreeTM-Prozess geht, noch weiter optimieren.

So wie Sie die Arbeit von DECSTM beschrieben haben, klingt das nach großem Rechenaufwand. Wie wirkt sich der auf den Stromverbrauch aus?
So ein rechenintensives System braucht natürlich etwas mehr Strom. Aber der Verbrauch hängt auch davon ab, wie man sein Gerät nutzt. Um den Energieverbrauch unter Kontrolle zu halten, nutzen wir beispielsweise zweierlei Wireless-Technologien. Das Direktstreaming vom iPhone oder TV-Adapter erfolgt über die 2,4GHz Technologie und die Kommunikation zwischen den Hörgeräten findet über Near Field Magnetic Induction (NFMI) statt. Diese Kombination über unseren Dual-Radio Wireless Chip, der zwei Funksysteme beherbergt, arbeitet in puncto Stromverbrauch auf normalem Niveau.

Herr Braun, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

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