Das 5. Oticon-Symposium (Teil 2)

Am zehnten November vergangenen Jahres hatte die Oticon GmbH ihre Kunden ins Theater Kehrwieder in die Hamburger Speicherstadt geladen. Auf dem Programm stand das fünfte Symposium des Herstellers. Im ersten Teil unserer Berichterstattung blickten wir auf die Vorträge von Prof. Hélène Amieva respektive Dr. Birgitta Gabriel, Prof. Dr. Elke Kalbe und Uwe Andreas Hermann. 

Veröffentlicht am 17 Februar 2017

Das 5. Oticon-Symposium (Teil 2)

Im zweiten Teil richtet sich der Fokus auf die Vorträge von Dr. Ena Nielsen, Dr. Hans-Georg Häusel und Jan Hofer. Es geht also um gezielte Kundenberatung, Bauchentscheidungen im Gehirn und die Nachrichten. Ein Rückblick auf einen Tag voller Informationen und Anregungen.

Uwe Hermanns Vortrag über Deep Neural Networks muss erst noch verdaut werden, da kündigt Horst Warncke die nächste Rednerin an. Dr. Ena Nielsen ist Associate Director am IDA Institute in Dänemark. Bevor sie 2011 dort anfing, arbeitete sie elf Jahre bei Deloitte. Sie promovierte an der Universität Oxford in Deutscher Literaturwissenschaft und besitzt einen Magistertitel der Universität Kopenhagen in Germanistik und Anglistik.

Am IDA Institute, das 2007 mit Hilfe der Oticon Stiftung gegründet und nach Ida Emilie, der Frau des Oticon-Gründers William Demant, benannt wurde, werden kundenorientierte Beratungswerkzeuge für die Hörakustik entwickelt und angeboten. Es ist unabhängig und gemeinnützig. Auf dem fünften Oticon Symposium spricht Ena Nielsen über „Living Well“, ein neues, am IDA Institute entwickeltes, Beratungswerkzeug.

„Was bedeutet es, mit einer Hörminderung gut zu leben?“, fragt Ena Nielsen von der Bühne ins Publikum. Sie bittet die Besucher, jeweils ihrem Sitznachbar einfach mal zu erzählen, was es für sie bedeutet, gut zu leben. Gemurmel erfüllt das Kehrwieder Theater. Eine Minute später berichten einige Besucher, was für sie ein gutes Leben ausmacht. Begriffe wie Gesundheit, Reisen, Zufriedenheit, Harmonie oder Familie fallen. Die beiden zuletzt genannten greift Ena Nielsen auf. Für die Harmonie muss man, wie auch mit der Familie, kommunizieren können, stellt sie heraus. Dann erweitert sie die Frage und stellt sie noch einmal. „Was bedeutet es, mit einer Hörminderung gut zu leben?“ Wieder erfüllt Gemurmel den Saal. „Die Antworten sind die gleichen wie eben“, ruft einer. „Ich bin froh, dass Sie das sagen“, erwidert Ena Nielsen. Und damit ist sie beim Thema.

Das, was zum Beispiel Hörakustiker für ein gutes Leben mit Blick auf ihre Kunden halten, deckt sich nicht immer mit der Definition des Kunden. So gebe es in vielen Beratungsgesprächen oftmals zwei Ebenen – einmal die des Akustikers, der von messbarem Hörverlust spricht und wie er den ausgleichen könne, sowie die des Kunden, der an seine Lebensqualität denkt. „Die Kommunikation stimmt nicht immer überein“, konstatiert Ena Nielsen. „Das wird von der Forschung inzwischen belegt.“
In der Folge zeigt sie einen Film, in dem ein CI-Träger seinen Leidensweg beschreibt. Erst nachdem er seine CI erhalten hatte, erzählt er, konnte er wieder der Mann sein, der er zuletzt vor 20 Jahren war. Dazwischen hatte ihn der Hörverlust gezwungen, jemand anderes zu sein. „Das bedeutete nicht unbedingt Lebensqualität“, kommentiert Ena Nielsen.

„Wie beraten Sie ihre Kunden?“, fragt sie. „Fragen Sie nach Strategien?“ Sie kommt auf „Living Well“ zu sprechen. Das hier vorliegende Rahmenwerk zeige, dass man seine Kunden ganzheitlich betrachten müsse, um mit der Versorgung Erfolg haben zu können. „Das nennt man auch den biopsychosozialen Ansatz für Gesundheit“, sagt Ena Nielsen. Berücksichtige man den, müsse man in der Beratung im Fachgeschäft viel mehr auf die Teilhabe des Kunden bedacht sein. So sollte es um Fragen danach gehen, wie man den Kunden helfen kann, wieder Teil ihres eigenen Lebens zu sein. Und wie man das am besten erlange, das wissen die Kunden eben am besten selbst. So habe man in der Beratung dann zwei Experten im Raum: Den Akustiker und den Kunden.

Wie man diese Art der Beratung sinnvoll strukturiert, dabei kann „Living Well“ behilflich sein.

Die Anwendung ist in vier Schritte unterteilt. Im ersten legt man dem Kunden Kärtchen mit Bildern vor, auf denen verschiedene Lebenssituationen abgebildet sind. Anhand der Szenen wählt der Kunde die Alltagssituationen, die für ihn wichtig sind, und beschreibt diese. Im zweiten Schritt bewertet der Kunde die von ihm gewählten Situationen und ordnet sie ein. Im dritten besprechen Hörakustiker und Kunde mögliche Strategien und Hörlösungen, im vierten Schritt definiert man gemeinsam die Ziele und dokumentiert den Fall.

Stellte „Living Well” vor: Dr. Ena Nielsen

„So macht man den Kunden selbst zu einem Teil der Lösung“, erklärt Ena Nielsen. Das motiviere ihn und sorge dafür, dass er sich an die Empfehlungen des Akustikers halte.

Die Beratung mit „Living Well“ muss nicht zwingend im Fachgeschäft erfolgen. Einen Teil kann der Kunde mit der Online-Version auch Zuhause erledigen und seine Ergebnisse mit ins Fachgeschäft bringen. „Living Well“ erlaubt auch, die Kommunikationspartner des Kunden mit in das Gespräch einzubeziehen, sagt Ena Nielsen. Zudem unterstreicht sie, dass „Living Well“ vor allem „das fokussiert, was gut funktionieren kann“. So sollen Enttäuschungen vermieden werden. Das ist der Unterschied zu den festen Fragelisten, mit denen einige vielleicht arbeiten. Zum Schluss ihres Vortrags kündigt Ena Nielsen eine „Living Well“-Variante für Teenager an. Und auch über eine deutschsprachige Variante denke man am IDA Institute nach. Viele Besucher des Symposiums jedenfalls, das zeigen die Reaktionen, würden das begrüßen.

Was in den Köpfen der Kunden passiert
Als nächsten Redner kündigt Horst Warncke Dr. Hans-Georg Häusel an. Der Schwabe gilt als Vordenker des Neuromarketing und zählt zu den international führenden Experten auf diesem Gebiet. Am Max Planck-Institut für Psychiatrie hat er bei Prof. Dr. mult. Johannes Brengelmann über neuropsychologische Aspekte des Geld- und Konsumverhaltens promoviert. Heute wird Hans-Georg Häusel darüber sprechen, wie Entscheidungen im Gehirn eigentlich fallen. Vorhang auf für die „Bauchentscheidungen im Gehirn“.

„Ich möchte (…) Ihnen zeigen, was in den Köpfen Ihrer Kunden passiert“, eröffnet Hans-Georg Häusel. Zunächst kommt er auf die Mittel zu sprechen, derer sich die Hirnforschung bedient. Dann zeigt er mit einem Beispiel die Irrationalität menschlicher Reaktionen auf. So werde bei Rauchern, zeigt man ihnen die Warnhinweisfotos auf den Zigarettenschachteln, nicht etwa das Angstzentrum aktiv, sondern das Belohnungszentrum. „In unserem Kopf läuft etwas ab, was unserem Bewusstsein möglicherweise verschlossen bleibt“, fasst er zusammen.

„Alles, was wir tun, hat einen emotionalen Kern.” Hans-Georg Häsel sprach über „Bauchentscheidungen im Gehirn”.

Vielleicht 20, maximal 30 Prozent der Entscheidungen, die ein Mensch am Tag fällt, fälle er bewusst. Und selbst die seien „nicht so frei, wie wir glauben“, sagt Hans-Georg Häusel. Dann kommt er auf Emotionen zu sprechen. Die seien, stellt er klar, nicht mit Gefühlen gleichzusetzen. „Emotionen sind unsere großen Antriebe“, sagt er. Zudem bewerten sie, was gut ist und was schlecht.

Noch spannender seien die „emotionalen Betriebssysteme“ im Hirn. Er zählt die Emotionsysteme im menschlichen Hirn auf: Das Balancesystem etwa ist für Sicherheit und Stabilität zuständig. Das Neugier- bzw. Stimulanzsystem sorgt dafür, dass man die Welt entdecken will, das Egoismussystem ist für Leistung und Erfolg zuständig. Das Dominanzsystem lässt einen nach Statussymbolen streben. „Es ist einer der wichtigsten Antreiber in Konsumgesellschaften“, schmunzelt der Hirnforscher.

Dann greift der Hirnforscher ein Thema seiner Vorrednerin auf. „Was heißt eigentlich Lebensqualität bei einem Hörverlust?“, zitiert er Ena Nielsen. Hans-Georg Häusel geht es hier allerdings um die Motive, die einen antreiben, eine Lösung anzustreben. Das Bedürfnis nach Sicherheit etwa, das nach der Kontrolle des Umfelds oder das nach der Fähigkeit, genießen zu können. „Alles, was wir tun, hat einen emotionalen Kern“, fasst er zusammen.

Eine weitere Rolle beim Streben nach einer Lösung des Hörproblems freilich spielt Geld. Für das Hirn sei Geld „nichts anderes als konzentrierte Lust in unserer Hosentasche, verbunden mit einer Zukunftsoption“, sagt Häusel. Allein: Wie überzeugt man einen Kunden, etwas investieren zu wollen?

An dieser Stelle kommt das „Machtzentrum“ im Gehirn ins Spiel, die Amygdala, das Zentrum des limbischen Systems. „Hier wird auf der Basis von Emotionen bewertet und entschieden“, erklärt der Hirnforscher.

Bevor etwas ins Bewusstsein kommt, habe jeder Außenreiz bereits eine unbewusste Wertung erfahren. Die eben erwähnten emotionalen Betriebssysteme spielen hierbei eine große Rolle. Jedes will seine Bedürfnisse befriedigt, oder seine Ängste abgewehrt sehen. Haben die Systeme ihre Bewertung vorgenommen, bekomme man die in Form von Gefühlen oder Erklärungen in sein Bewusstsein gespielt. Findet das Hirn etwas sinn-, wert- oder bedeutungslos, dringe das Thema eher nicht ins Bewusstsein vor. Dazu käme, dass die Trennung von Geld für Menschen ein schmerzhafter Prozess ist. Es gelte also, den emotionalen Wert zu erhöhen, um ein Angebot für den Kunden interessant zu machen. Emotional Boosting nennt man das.

Daraus zu lernen ist, meint Hans-Georg Häusel, in seinem Geschäft sämtliche Berührungspunkte, die der Kunde mit dem Betrieb hat, zu betrachten und sicherzustellen, dass diese positive Emotionen hervorrufen. Negative Emotionen müsse man unbedingt vermeiden. Die wögen oft doppelt so schwer wie Positive.

Darüber hinaus gelte es, dem Kunden alles so einfach wie nur möglich zu machen. „Denken ist der schlimmste Zustand, der dem Hirn passieren kann“, sagt Hans-Georg Häusel. Der Mensch denke nur freiwillig, wenn er eine Belohnung dafür erwartet oder eine Strafe vermeiden kann. Ist hingegen alles einfach, vor allem, wenn der Kunde sich das Thema zunächst kompliziert vorgestellt hat, wird das Belohnungssystem aktiv. „Dann ist man offen für die Welt. Man hört zu und auch die Kaufbereitschaft nimmt zu.“

So sieht Hans-Georg Häusel eine der großen Aufgaben von Akustikern darin, die Komplexität des Themas so weit „herunterzukochen“, dass das Hirn des Kunden alles verstehen kann. Nicht minder wichtig sei es, zu erfahren, was dem Kunden wirklich wichtig ist. „Darum finde ich das Werkzeug, das Ena Nielsen vorgestellt hat, auch so genial“, sagt Hans-Georg Häusel.

Fragen nach einer Preisspanne, die der Kunde sich vorstellt, sollten unbedingt vermieden werden. „Fragen Sie besser, was der Kunde erreichen möchte“, fordert Hans-Georg Häusel. Und auch die Sinne des Kunden sollten im Beratungsgespräch angesprochen werden. Die würden die emotionale Wirkung „exponential multiplizieren“.

Von größerer Bedeutung ist auch das Gesicht. „Das ist das wichtigste Signal für das Gehirn“, sagt Hans-Georg Häusel. Tritt man dem Kunden freundlich gegenüber, würden bei ihm Dopamin – das Futter für das Belohnungssystem – und Oxytocin – das Vertrauenshormon – ausgeschüttet. Man sollte also „bei seiner Körperhaltung und seinem Ausdruck Gas geben“, rät Hans-Georg Häusel.

Leitet nicht nur die Audiologie bei der Oticon GmbH, sondern verfügt auch über Moderatoren-Qualitäten: Horst Warncke

Zum Ende seines mit reichlich Anekdoten und Gags durchzogenem Vortrags stellt der Hirnforscher klar, dass sich Menschen freilich dennoch unterscheiden. Das ist der Persönlichkeit geschuldet, sagt er. So haben zwar alle Menschen die angesprochenen Emotionssysteme – nur eben in unterschiedlicher Ausprägung. Daher sei es wichtig, den Kunden zu typisieren. Dies könne man mithilfe der Limbic Map tun, mit der sich Menschen in sogenannte „Limbic Types“ wie Abenteurer, Harmoniser, Hedonisten, Performer oder Disziplinierte kategorisieren lassen. Bei jedem dieser „Limbic Types“ seien die Emotionssysteme unterschiedlich ausgeprägt. Entsprechend reagiere jeder anders respektive sollte anders angesprochen werden. Dazu kämen noch die Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

Als Verabschiedung gibt der Hirnforscher mit verschmitztem Grinsen den Besuchern drei Buchtipps mit auf den Weg. „Wenn Sie Hoffnung brauchen, lesen Sie die Bibel, wenn sie gerissener werden wollen, lesen Sie Machiavelli, wenn Sie wissen wollen, wie man Hörsysteme verkauft, gibt es nur ein Buch: das von mir.“ Gelächter und Applaus füllen das Kehrwieder Theater.

Die Nachricht in der Nachricht
Nach Hans-Georg Häusel wird öffentlich-rechtlich. Auf den Hirnforscher folgt an diesem Nachmittag der Chef- sprecher der Tagesschau.

Die Melodie, die wohl jeder im Raum kennt, erklingt. „Guten Abend, meine Damen und Herren“, begrüßt Jan Hofer die Besucher des Oticon Symposiums. Die Leute lachen. Die Tagesschau-Melodie, die Stimme, die Begrüßung – das 20.15-Uhr-Gefühl stellt sich heute schon um 16.45 Uhr ein. Seit 1985 ist er Sprecher der Tagesschau, seit 2004 Chefsprecher. Er wird erklären, wie die Tagesschau überhaupt entsteht und warum sie ist wie sie ist.

Gestartet war die nach wie vor wichtigste Nachrichtensendung Deutschlands 1952. Davor gab es nur die Wochenschau. Und die lief lediglich in den Kinos – Fernseher hatte damals ja kaum einer. Die ersten Jahre mutete die Sendung dann auch an wie die Wochenschau. Sie zeigte aneinander gereihte Nachrichten-Filme. Erst 1958 kam mit Karl-Heinz Köpcke ein Nachrichtensprecher zur Tagesschau. Sein Bekanntheitsgrad glich seinerzeit dem des Bundeskanzlers.

Dass die Tagesschau in Hamburg gemacht wird, ist übrigens den Erfahrungen aus der Nazizeit geschuldet. Der Brite Sir Hugh Carleton Greene, damals Hochkommissar für die Medien in der britischen Besatzungszone, fand es sinnvoll, die Nachrichten nicht dort machen zu lassen, wo die Mächtigen sind. Und weil Hamburg nie die Chance hatte, Bundeshauptstadt zu werden, siedelte Hugh Carleton Greene, Bruder des Schriftstellers Graham Greene, die Tagesschau in Hamburg an.

Auch bei der „Tagesschau” spielt das Hören eine wichtige Rolle – das erklärte Chefsprecher Jan Hofer

Aktuell arbeiten bei der Tagesschau 150 Menschen. An der Spitze steht die Chefredaktion, darunter die Wort- und die Filmredaktionen, die Sprecher sowie diverse Techniker. Was gesendet wird, entscheidet sich während der mehrmals täglich stattfindenden Konferenzen. Dabei zeigt die Tagesschau grundsätzlich nur das, was am entsprechenden Tag geschah. Mehr nicht. „Zum Ende der Sendung versuchen wir allerdings, etwas versöhnlicher zu werden“, erzählt Jan Hofer. „Das gelingt uns jedoch nicht immer.“

Ihren Input bezieht die Sendung von Agenturen wie DPA, AFP und Reuters sowie von ihren Korrespondenten. Die ARD unterhält, zusammen mit den Landesrundfunkanstalten, ein weltweit einmalig großes Korrespondentennetz. Um es in die Sendung zu schaffen, muss eine Meldung überregional relevant sein. Und meist verkünden diese Meldungen Schlechtes. „Die wirklich guten Nachrichten, etwa, dass die Weltbevölkerung weniger Hunger leidet, sind keine tagesaktuellen Ereignisse“, sagt Jan Hofer. „Aber wenn es gute Nachrichten gibt, dann senden wir die. Darauf sind wir scharf, das können Sie mir glauben.“

Kann eine Nachricht, die man senden möchte, vor Sendebeginn nicht endgültig verifiziert werden, nennt der Sprecher in der Sendung die Quelle der Nachricht. „Wenn wir das machen, gibt es noch ein Quäntchen Unsicherheit“, erklärt Jan Hofer. „Allerdings würden wir die Nachricht niemals senden, wären wir nicht davon überzeugt, dass sie richtig ist.“

Das Studio, aus dem die Tagesschau in Hamburg gesendet wird, nennt Jan Hofer „einmalig“. Alles ist automatisiert. Kameraleute gibt es keine. „Wir arbeiten im Studio auch nicht mit der Blue Box, sondern mit realen Bildern“, erklärt der Chefsprecher. 18 Meter Bilder können so „reingefahren“ werden. „Das Studio bietet Möglichkeiten, die wir noch gar nicht ausschöpfen können, weil die Technik noch nicht soweit ist.“ Voll ausgeschöpft werden bei der Tagesschau die Teleprompter. „Die sind wichtig“, sagt Jan Hofer. „Und auch das Hören spielt bei der Tagesschau eine große Rolle.“ Während der Sendung tragen die Nachrichtensprecher ein InEar-Gerät. Darüber sind sie im ständigen Kontakt mit der Redaktion, die dem Sprecher auch während der Sendung Informationen und Anweisungen gibt. Und auch für die in die Sendung dazu geschalteten Korrespondenten ist das Hören wichtig. Die beginnen ihre Moderation nämlich erst dann, wenn der Sprecher im Studio ein vorher festgelegtes Stichwort gesagt hat. Hört ein Korrespondent das nicht, fängt er nicht zu reden an.
Man kann die Tagesschau übrigens auch einfach nur hören, um 20.00 Uhr im Deutschlandfunk. Deshalb sind Moderation und Beiträge so angelegt, dass sie auch ohne Bild verstanden werden können. Apropos verstehen. Als Karl-Heinz Köpcke 1974 mit einem Bart aus dem Urlaub zurückgekehrt war und so die Tagesschau moderierte, brach großer Protest los. „Die Zuschauer, die schwer hören können, konnten nicht mehr von den Lippen ablesen“, berichtet Jan Hofer. Bis heute sind Bärte daher bei Nachrichtensprechern der ARD „verboten“.

Mit dem Hören respektive Sprechen in Verbindung steht auch die sogenannte Aussprachedatenbank der Tagesschau. Verantwortlich für diese zeichnet ebenfalls der Chefsprecher. „Bei uns geht es darum, Dinge zwar korrekt auszusprechen, aber eben auch so, dass man sie versteht“, erklärt Jan Hofer. „Wir nennen das ‚behutsam eingedeutscht’“. So sind in der Datenbank „unfassbar viele Wörter“ und deren Tagesschau-Aussprache festgehalten. Auch das ZDF, das ORF und das SRF können auf diese Datenbank zugreifen. „So ist gewährleistet, dass wir alle das gleiche sprechen“, sagt Jan Hofer. Das heißt allerdings nicht immer, dass diese Aussprache auch die eigentlich richtige ist. Fukushima etwa spricht man in Japan immer noch anders aus als in Deutschland. „Aber wir haben uns eben auf diese Aussprache verständigt“, sagt Jan Hofer. Genau nimmt man es in Hamburg hingegen zum Beispiel mit der Aussprache türkischer Wörter. „Wir haben hier einige Millionen Türken“, erklärt Jan Hofer. „Und die erwarten, dass wir die Namen ihrer Landsleute so aussprechen, wie sie es gewohnt sind. Und daran halten wir uns.“

Die Zukunft des Journalismus sieht der Tagesschau-Chefsprecher im Übrigen nicht so finster wie viele andere. „Bevor ich mir Beiträge ansehe, von denen ich nicht weiß, woher sie kommen, und wo ich mich nicht an die Redaktion wenden kann – da wäre ich sehr vorsichtig“, sagt Jan Hofer. In einer Zeit, in der „jeder alles von sich geben kann und wo man nicht weiß, ob das von irgendeiner Seite gesteuert wird“, möchte er sich auf ordentlich gemachte Nachrichten verlassen können. Bleibt zu hoffen, dass das noch viele andere auch so sehen.

Damit endet das fünfte Oticon-Symposium. Am Abend sitzen viele Besucher noch beim gemeinsamen Abendessen zusammen und diskutieren über das, was sie den Tag über gehört haben. Der Spaß freilich kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz.